Gekröpfter auf wackligen Beinen (Landzeitung)

Publiziert von VFSNinfo am

Flughafen Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) entscheidet über neues Anflugverfahren

Vor allem im Süden des Flughafens sind mit dem gekröpften Nordanflug (GNA) grosse Hoffnungen verbunden. Doch die Zeichen mehren sich, dass seine Einführung in Bern nicht bewilligt wird.

Oliver Steimann

Nach der Verhängung der deutschen Anflugverordnung (DVO) und der Einführung der Süd- und zusätzlicher Ostanflüge ist er zum grossen Hoffnungsträger vieler Anwohner geworden: der gekröpfte Nordanflug. Bis Ende Jahr wollte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) über eine Bewilligung des umstrittenen Anflugverfahrens entscheiden. «Theoretisch gilt das noch immer», erklärt Bazl-Sprecher Daniel Göring. Die Abklärungen seien aber noch nicht abgeschlossen. «Wenn wir in der kommenden Woche nicht informieren, dann erst nach den Festtagen.» Die Entscheidung dürfte den Verantwortlichen um Bazl-Direktor Raymond Cron nicht leicht fallen. Seit der Lancierung der Idee einer Route südlich des Rheins mit Übergang in den Sichtflug und enger Kurve um den Stadler Berg sind die Fronten verhärtet. Die betroffenen Gemeinden im Zürcher Unterland und im Gebiet von Zurzach wehren sich ebenso gegen das Verfahren wie die deutschen Nachbarn. Umgekehrt wird von Vertretern des Südens seit Jahren die sofortige Einführung dieser Anflüge gefordert.

Kein betrieblicher Zwang

Die Südanflüge seien auch von heute auf morgen bewilligt worden, ist eines jener Argumente, die immer wieder in die Diskussion eingebracht worden sind. Doch die Situation im Herbst 2003 ist mit der heutigen nicht zu vergleichen. Damals drohten dem Zürcher Flughafen ohne Südanflüge drastische betriebliche Einschränkungen. Nun ist es umgekehrt: Mit der Einführung des Gekröpften würde die Kapazität in der ersten Morgenstunde spürbar eingeschränkt.

Die Flughafenbetreiberin Unique hat sich zwar bereit erklärt, diese Kröte zu schlucken – nicht jedoch die Flugverkehrsleiter. Aerocontrol, der Verband der Zürcher Fluglotsen, lehnt den gekröpften Nordanflug ganz klar ab. Die Lotsen argumentieren mit der Sicherheit. Aus ihrer Sicht ist es unsinnig, auf einem Interkontinentalflughafen, dem auf vier Landebahnen präzise Instrumentenlandesysteme zur Verfügung stehen, ein zusätzliches, fliegerisch höchst anspruchsvolles Verfahren einzuführen. Damit werde «ein absolut unnötiges Fehlerrisiko in Kauf genommen », erklärte Aerocontrol kürzlich in einem Communiqué. Aus Sicht der Lotsen ist der Gekröpfte rein politisch motiviert und würde ihre Arbeit nur unnötig verkomplizieren.

Massiver Druck aus Deutschland

Auch der 2006 pensionierte Chef des Towers Zürich, Andreas Heiter, hatte sich zuvor schon in diesem Sinne geäussert. «Der Südanflug kommt so schnell nicht weg», ist der ehemalige Skyguide-Manager überzeugt. Der gekröpfte Nordanflug entspreche nicht den Standards eines interkontinentalen Flughafens, wonach ein sicherer Anflug, insbesondere mit topografischen Verhältnissen wie rund um Zürich, möglichst lange geradeaus geflogen werden sollte.

Der massivste Druck gegen den Gekröpften kommt allerdings aus Deutschland. Obwohl die Anflugroute gänzlich über Schweizer Gebiet führen würde, rechnet man am nördlichen Rheinufer mit deutlich mehr Fluglärm. Und Deutschland hat – das ist seitens des Bazl nie bestritten worden – rechtliche Möglichkeiten, den Gekröpften zu verhindern. Gemäss den Regeln der internationalen Zivilluftfahrtsorganisation Icao müssen Anflugverfahren zur nächsten Luftraumgrenze einen Abstand von mindestens 2,5 nautischen Meilen (4,6 Kilometer) einhalten. Im Falle des Gekröpften kein Problem, da der Himmel über dem Schwarzwald heute zum von Skyguide verwalteten Luftraum zählt. Doch Deutschland könnte dies notfalls rasch ändern, denn die Abtretung an Skyguide ist vertraglich nicht geregelt. Und würde die Luftraumgrenze neu am Rhein zu liegen kommen, wäre der gekröpfte Nordanflug verunmöglicht. Die entsprechenden Drohungen sind sehr konkret, wie man beim Bazl bestätigt. «Deutschland hat dies wiederholt schriftlich und mündlich so zum Ausdruck gebracht», erklärt Göring.

Widerstand am Stadler Berg

Doch nicht nur Deutschland, auch die Gemeinden am Stadler Berg wehren sich gegen das neue Anflugverfahren.In Stadel und Weiach ist man auf den Gekröpften nicht gut zu sprechen. Der Waldbestand auf dem 637 Meter hohen Berg, an dem 1990 eine Alitalia- Maschine zerschellte, ragt in die Sicherheitszone für den neuen Anflug. Dies führt zu Einschränkungen der Waldnutzung und allfälligen Enteignungen. Ebenso weigern sich die Gemeinden, der Rodung bestimmter Flächen für die Erstellung zusätzlicher Hindernisbefeuerungen die Bewilligung zu erteilen.

Aus aviatischer und auch aus politischer Sicht wäre eine Bewilligung des gekröpften Nordanflugs folglich mit diversen Risiken behaftet. Wie auch immer das Bazl sich entscheidet – Proteste und Einsprachen sind ihm gewiss.

15.12.2007, Zürcher Landzeitung


siehe auch: Die Angst vor der Mehrarbeit (Leserbriefe ZOL/SZS)