«Fluglärm verteilen ist Unsinn» (ZU)

Publiziert von VFSNinfo am
Bülach: Wahl- und Abstimmungspodium mit Ständeratskandidaten

Fünf – zum Teil gegenläufige – Vorlagen wollen das Fluglärmproblem lösen. Die Ständeratskandidaten Verena Diener und Ueli Maurer bezogen in Bülach zu den zwei aktuellen Vorlagen ihre Positionen.

Fahrettin Calislar

In vielen Punkten waren sich die beiden Widersacher auf dem Podium im katholischen Kirchgemeindehaus einig. In anderen Punkten gingen die Meinungen auseinander. Verena Diener, ehemalige Regierungsrätin und Kandidatin der Grünliberalen, berief sich auf ihre lange Exekutiverfahrung mit dem Thema: «Mehr Flugbewegungen erzeugen Unqualität.» Ihr Gegner, SVP-Präsident Ueli Maurer, wehrte sich gegen Einschränkungen für den Flughafen, forderte «eine mittlere Unzufriedenheit für alle» und die Möglichkeit, sich gegen Missstände politisch wehren zu können.

Viele Gemeinsamkeiten

Nur fünf Tage vor dem Wahl- und Abstimmungssonntag kreuzten der bürgerliche Favorit Maurer und seine von einer Links-Grün-Mitte-Allianz portierte Herausforderin Diener die Klingen. Gesprächsleiterin Christine Fivian, Chefredaktorin des «Zürcher Unterländers», musste das zahlreich erschienene Publikum zuerst über die Vorgeschichte und die vielen verschiedenen Problemfelder der hochkomplexen Flughafenfrage ins Bild setzen.

Maurer verblüffte das Publikum – in dem sich Vertreter beider politischer Seiten etwa die Waage hielten – mit der Aussage, er sei seit 17 Jahren nicht mehr geflogen. Er empfahl dem Publikum: «Fliegen Sie weniger und bleiben Sie in den Ferien zu Hause.» Diener liess im Gegenzug sowohl die Interessen der Wirtschaft als auch den Anspruch der Bevölkerung auf ungestörte Nachtruhe gelten. Sie habe ein doppeltes Ja eingelegt, ziehe aber den stärker verpflichtenden Gegenvorschlag – den sie selbst mit ausgearbeitet hat – vor. Auch dies war für viele Anwesende eine überraschende Aussage. Maurer schloss an und wies auf weitere Schwächen der Initiative hin. Interkontinentalflüge ab Zürich seien gefährdet, führte er aus.

Einigkeit zwischen den beiden Podiumsteilnehmern herrschte auch in der Frage der Anflugrichtung. Maurer zeigte zwar Verständnis dafür, dass die Nordgemeinden von einer Verteilung profitieren. Doch der Norden müsse «im Gesamtinteresse» in Zukunft einen grösseren Teil der An- und Abflüge übernehmen. «Mit dieser Realität müssen wir leben», schloss Maurer. Denn: «Lärmverteilung ist Unsinn, sie ist unökonomisch, aber die Bevölkerung hält sie wohl für eine ausgleichende Gerechtigkeit.» In diesem Punkt war Diener ähnlicher Meinung: «Der Flughafen ist historisch gewachsen, wer in die Nähe gezogen ist, kannte die Situation.» Sie schloss daraus – wie auch Maurer: «Flughafennahe Gemeinden können nicht mit Entlastungen rechnen.» Allerdings habe jeder ein Anrecht auf ruhige Zeitfenster.

Aber noch viel mehr Unterschiede

«Es darf kein grenzenloses Wachstum des Flugverkehrs geben», benannte Diener den zentralen Widerspruch zwischen ihrer Position und derjenigen von Maurer. Die Abstimmung vom nächsten Wochenende sei ein entsprechendes Signal an die Politik. Sie wolle als Grossmutter ihren Enkeln eine lebenswerte Welt hinterlassen. Maurer hielt dagegen, dass er gegen jede staatliche Einschränkung sei, nur die im Gegenvorschlag vorgesehene Lärmbegrenzung sei eine Möglichkeit.

Angesprochen wurde auch Dieners nach dem ersten Wahlgang vollzogene Meinungsänderung zur Initiative. Sie begründete ihr neuerliches Ja mit der Position der neuen Kantonsregierung zur Pistenverlängerung oder zu einer Parallelpiste. Maurer warf Diener in der Folge vor, eine Windfahne zu sein. Er aber vertrete die Sicht der Regierung. Der Flughafen müsse eine gewisse Beweglichkeit haben. Er habe Vertrauen in die Regierung, dass diese die Fehlentwicklungen stoppen könne. Auch glaube er, dass die Gemeinden sich im Prozess zur Erarbeitung des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL) einbringen könnten.

Die Bilanz des Fluglärmstreits

Sitzungsleiterin Fivian fasste den Inhalt der Fluglärmdiskussion zusammen: «Es ist ein ungelöstes, extrem kontroverses Thema. Und es geht alles gegen den Norden.» Sie wies auf den schwer zu lösenden Widerspruch zwischen dem Interesse der Wirtschaft und der Bevölkerung hin.

Die Organisatorin des Abends, die grüne Kantonsrätin Susanne Rihs-Lanz (Glattfelden) zeigte sich verblüfft, dass Maurer sich als moderater Politiker, schon fast als «verkappter Grüner» gebärdet habe. Für dieses Schlusswort hatte sie die Lacher für sich.

Zürcher Unterländer, 22.11.2007