Luftverkehr als Prügelknabe der Politik? (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Immer gereizter reagieren die Vertreter der Airline-Branche auf neue Regulierungsvorschläge der EU. Sie lehnen sie zumeist als geschäftsschädigend ab.

«Es sieht danach aus, dass mache EU-Parlamentarier lieber die europäischen Fluggesellschaften und ihre Passagiere bestrafen als der Umwelt einen echten Dienst zu erweisen», enervierte sich Ulrich Schulte-Strathaus, Generalsekretär des europäischen Airline-Dachverbands AEA Anfang Woche. Der Grund: Die Abgeordneten hatten die Vorschläge der EU-Kommission noch verschärft, mit denen der Luftverkehr in den CO2-Emissionshandel eingebunden werden soll. Das sei «ein massiver Schlag gegen die Wettbewerbs- und Lebensfähigkeit» der europäischen Gesellschaften, der einfach dazu diene, den Staaten mehr Geld in die Kassen zu spülen. Nicht minder bissig war die Reaktion der internationalen Dachorganisation IATA.

Nur wenige Tage zuvor zog Schulte-Strathaus bereits gegen die EU vom Leder, nachdem Justizkommissar Franco Frattini seine Speicherpläne für Flugpassagierdaten präsentiert hatte. Mit der Expertise der Branche wäre es sicher möglich gewesen, einen «bürokratischen Alptraum» zu verhindern, so der AEA-Generalsekretär. Aber leider habe der Kommissar nicht gefragt und jetzt drohten immense Kosten.

Bereits Routine ist die Kritik der Fluggesellschaften und Flughäfen am umstrittenen Flüssigkeitsverbot im Handgepäck, weil diese Massnahme mehr als Schikane denn als Beitrag zur Sicherheit verstanden wird. Bereits kündigt sich zudem ein neuer Streit an, nachdem die EU-Kommissarin Meglena Kuneva gestern viele Internet-Buchungsseiten für Flugtickets als irreführend kritisierte und im Interesse der Konsumenten mit Massnahmen drohte.

Die EU-Kommission weist den Vorwurf, mit ihrer Politik den Fluggesellschaften zu schaden, natürlich zurück. «Es gibt keine Vorschläge von unserer Seite, die wir nicht zuvor mit deren Vertretern besprechen», versichert Michele Cercone, Sprecher des Verkehrskommissars Jacques Barrot. Daher könne er solche Kritik nicht verstehen. «Natürlich befindet sich die Branche aber wirtschaftlich in einer schwierigen Situation», lautet für Cercone eine mögliche Erklärung für deren Dünnhäutigkeit.

Auf Nachfrage wird aber die Kritik an Europa beim Dachverband AEA relativiert: «Die Probleme bestehen weniger mit der EU als der Politik im Allgemeinen», so die Sprecherin Françoise Humbert. Im Gegenteil sei die Arbeitsbeziehung mit dem Verkehrskommissar sehr gut. In seinem Umfeld anerkenne man auch die wirtschaftliche Bedeutung der Luftfahrt. Eine andere Geschichte sei das mit Frattini. «Wir hätten uns gewünscht, dass man uns wegen der Passagierdaten doch zumindest einmal angehört hätte», klagt Humbert.

Und schwieriger sei es mit dem ganzen Prozess, den die einzelnen Vorschläge durchlaufen müssten und den fragwürdigen Kompromissen, die dann häufig das Endresultat seien. Da spiele das schlechte Image mit. «Aber es stimmt einfach nicht, dass wir der ganz grosse Verschmutzer sind», so die AEA-Sprecherin. Nur 2 Prozent der CO2-Emission stammten von der Luftfahrt und die Europäer brächten es gerade einmal auf 0,5 Prozent. Mit Informationskampagnen versuche man jetzt dieser verzerrten Wahrnehmung entgegen zu wirken: «Nichts beschönigen, aber einfach die Fakten klar stellen».

Die Bahn hat es besser

Was die umstrittenen Sicherheitsvorkehrungen angeht, versucht der Dachverband mit den Flughäfen auf «vernünftigere Lösungen» hinzuarbeiten. Humbert bezeichnet es als Glück, das Schlimmeres verhindert werden konnten. Einzelne Beamten hätten auf ein völliges Flüssigkeitsverbot im Flugzeug gedrängt: «Was heute gilt ist nicht ideal, aber zumindest weniger störend».

Doch die Regeln müssten harmonisiert und effizienter werden. Zudem sollen endlich alle Transportmittel gleich behandelt werden. «Alle neuen Ideen richten sich immer gegen die Airlines, auch wenn es genau so angebracht wäre, dies für Hochgeschwindigkeitszüge einzuführen», moniert Humbert.

Für gleich lange Spiesse plädiert auch die Swiss, die wegen des Luftverkehrsabkommens mit der EU und anderen bilateralen Vereinbarungen solche «neuen Hürden» jeweils früher oder später übernehmen muss. «Wer mit dem Flugzeug von Zürich nach Paris reist, zeigt vier bis sechs Mal den Pass und mit dem Zug oder Auto wird man womöglich nicht ein einziges Mal danach gefragt», stellt Sprecher Jean-Claude Donzel beispielsweise fest. Gerade auf diesen Distanzen spüren die Fluggesellschaften natürlich die immer härtere Konkurrenz der Bahn – wenn nicht gerade gestreikt wird.

Tages-Anzeiger, 14.11.2007