«Ein Ja wäre ein katastrophales Zeichen» (NZZaS)

Publiziert von VFSNinfo am
Der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber warnt vor der Annahme der Initiative, welche die Flüge in Kloten beschränken will. Ledergerber regt an, die Landegebühr für laute Flugzeuge zu erhöhen

Der Schweizer Wirtschaft würde ein schwerer Schaden zugefügt, sollte die Zahl der Flüge in Kloten begrenzt werden, sagt Elmar Ledergerber.

NZZ am Sonntag: Die Plafonierungsinitiative will die Zahl der Flugbewegungen am Flughafen Zürich auf 250 000 beschränken und die Nachtruhe auf 9 Stunden ausdehnen. Wie beurteilen Sie diese Initiative?
Elmar Ledergerber: Ich habe grosses Verständnis für die Leute, die vom Fluglärm geplagt werden. Der Südanflug, der frühmorgens 200 Meter über Schwamendingen führt, ist eine unhaltbare Situation. Aber als Reaktion darauf die Flugbewegungen einschränken zu wollen, ist nicht zielführend und falsch.

Warum?
Die Initiative ist nicht verbindlich, sondern nur eine Empfehlung nach Bern. Zweitens bringt man damit die Südanflüge nicht weg. Und drittens bedeutet die Initiative eine Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Zürich, der auf die Infrastruktur Flughafen und auf die gute Anbindung an internationale Destinationen angewiesen ist. Ein Plafond von 250\'000 Flugbewegungen wäre ein sehr schlechtes Signal an alle internationalen Firmen, die in Zürich tätig sind. Eine Annahme der Initiative wäre auch ein katastrophales Zeichen im Hinblick auf die Entwicklung der Schweiz - wirtschaftlich, gesellschaftlich, kulturell.

Die Befürworter der Initiative sagen, dass auch urbane Regionen in Europa florieren, die einen kleineren Flughafen betreiben als Zürich.
Diese Leute verkennen, dass wir in Zürich, in einem Land ausserhalb der EU, sehr darauf achten müssen, unsere Standortvorteile zu entwickeln statt abzubauen. Wenn wir in Kloten eine Nachtruhezeit von 9 Stunden einführen, kann man die täglichen drei Wellen mit An- und Abflügen nicht weiterführen. Zürich hätte dann noch einen Regionalflughafen. Das kann nicht in unserem Interesse liegen.

Bezieht die Zürcher Wirtschaft deutlich genug Stellung im Abstimmungskampf?
Die Zürcher Wirtschaft hält sich leider ein wenig bedeckt bezüglich des Flughafens. Das politische Engagement für dieses Land hat abgenommen. Vertreter grosser Unternehmen erkennen zwar, dass der Flughafen Zürich eine zentrale Infrastruktur der Schweiz ist. Aber sie sagen auch: «Wenn der Flughafen nicht mehr funktioniert, ziehen wir eben weg.»

Was halten Sie vom Gegenvorschlag zur Plafonierung, vom «ZFI plus»?
Der Zürcher Fluglärm-Index ist leider ziemlich kompliziert. Immerhin ist der Index die bessere Lösung als die Plafonierung. Richtig scheint mir, dass hier bei der Beschränkung des Lärms angesetzt wird und nicht bei der Zahl der Flüge. Ich frage mich allerdings, ob es einen Gegenvorschlag gebraucht hätte. Die Bevölkerung des Kantons Zürich wird die Demontage des Flughafens nicht akzeptieren und die Plafonierung ablehnen.

Sie haben die Beschränkung des Lärms angesprochen. Wie soll das gelingen, ohne die Flugbewegungen zu begrenzen?
Die Lärmemissionen um den Flughafen sinken jährlich um ein bis zwei Prozent - bei einer wachsenden Zahl von Flugbewegungen. Die neuen, lärmarmen Flugzeuge tragen dazu bei. Es gibt drei Dinge, die wir tun müssen, um gegen den Fluglärm vorzugehen: Mit der Einführung des gekröpften Nordanflugs könnte der Südanflug über dicht besiedeltem Gebiet deutlich reduziert werden. Zweitens sollte der Flughafen Zürich prüfen, die lärmabhängigen Landegebühren den heutigen Verhältnissen anzupassen und die Tarife für lautere Flugzeuge zu erhöhen. Drittens ist es äusserst wichtig, dass die Kontakte zu Deutschland intensiviert werden. Wir warten seit einiger Zeit auf eine neue Verhandlungsrunde zwischen Deutschland und der Schweiz.

Verhält sich die Schweiz zu passiv?
Diesen Eindruck habe ich, ja. Wir sind geduldig wie Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden. Die Schweiz muss unmissverständlich klarmachen, dass es zwischen den beiden Ländern eine Paketlösung braucht. Wir haben starke Verbündete wie die Lufthansa, die unsere Interessen in Deutschland vertritt. In einer Paketlösung ist vieles möglich: Strassenbauprojekte, das atomare Endlager in Benken, der Anschluss des Südschwarzwalds an unser S-Bahn-Netz, Fragen der Berufsbildung. Alle diese Themen spielen eine Rolle.

Man hört, der deutsche Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee bewege sich in der Fluglärmfrage nicht. Wie kann die Schweiz reagieren, wenn es dabei bleibt?
Wir müssen die Bereitschaft haben, so zu handeln, dass der Konflikt in Berlin und nicht nur in Waldshut zur Kenntnis genommen wird.

Lehnen Sie eine Begrenzung der Anzahl Flugbewegungen generell ab?
Mit dem gegenwärtigen Pistensystem sind nicht mehr als 340 000 Bewegungen pro Jahr möglich. Änderungen an den Pisten müssen dem Volk vorgelegt werden. Wir brauchen ein Flugregime, mit dem möglichst wenig Leute dem Lärm ausgesetzt werden und das dem Flughafen Raum für Entwicklung lässt.

Sprechen Sie über die Begrenzung der Flugbewegungen in Ihrer Funktion als Verwaltungsrat des Flughafens oder als Stadtpräsident von Zürich?
Ich spreche als Zürcher Stadtpräsident, der diese Stadt für die nächsten Jahre möglichst gut positionieren will. Zwischen den beiden Funktionen sehe ich hier keinen Widerspruch. Ich kämpfe gegen den Südanflug und dagegen, dass Flüge abgewürgt werden, statt dass man auf eine Lärmbegrenzung setzt. Ich kämpfe dagegen, dass dem Flughafen Zürich und damit der ganzen Region ein schwerer Schaden zugefügt wird.

Interview: Francesco Benini

NZZ am Sonntag, 11.11.2007


Kommentar VFSN: Hallo Herr Ledergerber, die Bewegungen von Linien und Charter haben seit dem Jahr 2000 um 30% abgenommen. Zumindest diese absolut unbestrittene Tatsache sollte Ihnen als Stadtpräsident und Unique VR bekannt sein. Es könnte sein, dass einem sonst auch alle anderen Aussagen nicht geglaubt werden. Bitte diese Grafik studieren und das Interview wiederholen!


siehe auch:
Leserbriefe: Ledergerber wird noch staunen (NZZaS, 18.11.2007)