Hitzige Diskussionen über die Flughafenpolitik (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Auch vier Jahre nach ihrer Einführung sorgen die Südanflüge für hitzige Debatten. Am Dienstag stritten Politiker in Gockhausen leidenschaftlich über die Flughafenpolitik.

Von Thomas Bacher

Dübendorf. – Am Schluss der Veranstaltung war man sich auf dem Podium einig darüber, dass man wohl auch in vier Jahren wieder zusammenkommen und über die Südanflüge diskutieren könne. Das gefiel dem murrenden Publikum gar nicht, hatte es doch während der zweistündigen Diskussion im Festzelt beim Restaurant Alter Tobelhof immer wieder deutlich gemacht, dass man in Gockhausen im Jahr vier nach der Einführung der Südanflüge genug hat vom morgendlichen Lärm – und deshalb für eine Beschränkung der Flugbewegungen ist. So hatte dann auf dem Podium einen schweren Stand, wer sich nicht ausdrücklich für die Flughafeninitiative und die Plafonierung auf 250 000 Starts und Landungen aussprach.
Das bekam Doris Fiala zu spüren. Die FDP-Präsidentin äusserte Verständnis für den Unmut der vom Fluglärm betroffenen Bevölkerung und sprach sich klar für den gekröpften Nordanflug aus. Die Flughafeninitiative sei aber reine Augenwischerei und würde an den «illegalen» Südanflügen nichts ändern: «Sie würden weiterhin um 6 Uhr morgens geweckt», warnte sie die rund 350 Zuhörer. Mit dem Gegenvorschlag des Kantonsrats könnten dagegen 150 000 Personen vom Lärm entlastet werden. Für Unmut sorgte Fiala vor allem mit den wiederholten Hinweisen darauf, dass Beschränkungen der Flugbewegungen negative Folgen hätten für den Wirtschaftsstandort Zürich. Weniger Umsteigepassagiere reduzierten auch die Anzahl der Direktflüge, und diese seien für Zürich argumentierte sie. «Gleichzeitig bedeuten Wirtschaftswachstum und der Erhalt von Arbeitsplätzen Sicherheit.» Zwar steckte Fiala die verbalen Attacken aus dem Publikum locker weg, dennoch mahnte Gesprächsleiter Stephan Oehen zu Zurückhaltung.

Bäumle kritisierte Fiala

Kritik musste Fiala auch von Martin Bäumle (GLP) einstecken, der die FDP-Präsidentin der Stimmungsmache bezichtigte. «Die Wirtschaft bricht bei einer Plafonierung nicht zusammen», so der grünliberale Nationalrat. Der Flughafen brauche Grenzen. Wer dagegen für ein unbeschränktes Wachstum sei, der müsse zugeben, dass dies nicht ohne Süd- und Ostanflüge gehe. Bäumle warnte davor, der Flughafeninitiative zu viel Bedeutung zuzumessen, denn würde diese angenommen, wäre das lediglich eine Petition nach Bern und brächte eigentlich nichts. Dem Gegenvorschlag stimme er «ohne Begeisterung» zu. «Der Zürcher Fluglärmindex (ZFI) ist zwar Mist und kann der Bevölkerung nur verkauft werden, weil die meisten die Formel nicht verstehen.» Aber auf das Plus, also die theoretische Beschränkung der Flugbewegung und die sieben Stunden Nachtruhe, könne man aufbauen. «Heute hat die Natur keinen Preis», sagte Bäumle und sprach sich für eine weltweite Kerosinbesteuerung aus. «Dann würde der Markt spielen, und man würde nur noch umsteigen, wo dies auch Sinn macht und keine Umwege mehr fliegen», kritisierte Bäumle, dass die Allgemeinheit für das Verhalten Einzelner bezahlen müsse.
CVP-Nationalrat Urs Hany verbrachte den Abend vor allem damit, die Nein-Parolen seiner Partei zu den beiden Vorlagen zu verteidigen. Wenn man über etwas abstimmen lasse, das letztlich nichts bringe, gaukle man dem Volk nur etwas vor. Stattdessen solle man dort Entscheidungen treffen, wo man auch Einfluss habe, und das sei das Pistensystem. Bliebe dieses unverändert, seien dem Flughafen natürliche Grenzen gesetzt. Hany gab weiter zu bedenken, dass sich die Zürcher wegen ihrer Streitigkeiten rund um die Fluglärmfrage in Bundesbern viele Sympathien verspielt hätten. Gleichzeitig machte er sich damit beim Publikum nicht gerade beliebt.

Morf kritisierte Politiker

Ganz anders Thomas Morf. Der Präsident des Vereins «Flugschneise Süd – Nein» hatte im Festzelt vor den gut 200 Anwesenden ein Heimspiel. Morf verstand es wie immer ausgezeichnet, auf der Klaviatur der Emotionen zu spielen, indem er als Sprachrohr derjenigen amtete, welche sich von der Flughafenpolitik der Regierung übergangen fühlen. «Eigentlich müssten wir gar nicht abstimmen. Denn wenn es den Politikern nicht passt, wird gar nie was passieren. » Dennoch: Mit einem Ja zu beiden Flughafenvorlagen könnten die Schneiser zeigen, dass sie genug hätten, dass man in Kloten keinen «BallermannHub» wolle. Stattdessen machte er sich für die Einführung des gekröpften Nordanflugs stark, der sei «keine Hexerei» und bringe dem Süden und Osten eine grosse Entlastung. Morf machte aber auch darauf aufmerksam, dass das Verhalten jedes Einzelnen Einfluss auf die Lärmbelastung habe. Schliesslich kritisierte er die Politiker für deren gegenseitige Schuldzuweisungen. Tatsächlich bemühten sich die Podiumsteilnehmer nach Kräften, die politischen Gegner in vermeintliche Widerwichtig, sprüche zu verwickeln. – Keine leichte Aufgabe hatte Martin Arnold (SVP). Der Kantonsrat und Geschäftsleiter des kantonalen Gewerbeverbandes war als Gegner der Flughafeninitiative und Befürworter des Gegenvorschlags im beheizten Festzelt einem kalten Gegenwind ausgesetzt, auch wenn er die Südanflüge als illegal bezeichnete und sich dagegen aussprach, den Fluglärm gleichmässig zu verteilen. Ähnlich wie Urs Hany hielt er sich in der Diskussion eher zurück. Den Gegenvorschlag bezeichnete Arnold als raumplanerischen Auftrag; der ZFI sei ein Monitoring- Instrument, von dem man sich allerdings nicht allzu viel versprechen dürfe. Im Gegensatz zu Martin Bäumle bezeichnete Arnold den Schadstoffausstoss der Flugzeuge nicht als Problem. «Bei der Gebäudetechnik könnte man viel mehr rausholen », zeigte er sich überzeugt und hielt fest, dass man den Leuten nicht vorschreiben dürfe, wohin sie fliegen sollen – «das wird alles der Markt richten».

Lais kritisierte Flughafen

Mit einem Ja für beide Vorlagen stieg SP-Kantonsrat Ruedi Lais in die Diskussion ein. «Wir wollen dem Flughafen ein Korsett anlegen und vom erträumten Wachstumswahnsinn wegkommen.» Der Flughafen habe schon heute Rahmenbedingung, mit denen er wirtschaften müsse – und sei damit bisher nicht schlecht gefahren. Den Gegenvorschlag bezeichnete Lais als «kleineres Übel», auch wenn der ZFI eine «Schrottformel» sei. Ein zweifaches Nein wäre seiner Meinung nach aber «ein Debakel». Mit der Flughafeninitiative könne man im Kanton endlich davon wegkommen, sich gegenseitig den schwarzen Peter und damit den Lärm zuzuschieben. Das sei eine «primitive Art des Politisierens », sagte Ruedi Lais, der für seine Ausführungen vom Publikum jene Zustimmung erhielt, die den Sozialdemokraten bei den vergangenen Wahlen versagt geblieben war.

Tages-Anzeiger, 01.11.2007, Seite 61, Regionalteil Oberland


siehe auch:
Einigkeit nur beim «Gekröpften» (ZOL)