Das Rotationsprinzip bringt dem Norden keine Ruhe (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Zeitfenster ohne Fluglärm – eine alte Idee wird im SIL-Prozess wieder aufgewärmt

Die Zürcher Regierung will längerfristig ein Rotationsprinzip mit lärmfreien Zeitfenstern für die Flughafenanwohner. Für den Norden ist allerdings kein solches Zeitfenster vorgesehen. Der Schutzverband hält ein Paket mit Pistenverlängerung und Rotation für diskussionswürdig. Allerdings nur, wenn alle Himmelsrichtungen einbezogen würden.

ark. Als der Zürcher Regierungsrat vergangene Woche seine Kehrtwende in der Frage der Pistenverlängerungen bekanntgab, erstaunte dies wenig. Die meisten Beobachter hatten damit gerechnet, dass im SIL-Prozess eine Kurskorrektur in Richtung von Pistenausbauten bevorsteht. Eher überraschend kam dagegen die Ankündigung, dass die Regierung längerfristig für ein Rotationsprinzip plädiert. Bei der Anwendung der Variante J für einen künftigen Flugbetrieb – sie enthält eine Pistenverlängerung und eine Konzentration des Flugbetriebs auf Norden und Osten – «kann das auch politisch geforderte Rotationsprinzip zur Anwendung kommen», sagte Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer in ihrer Rede am Freitag in Bern.

«Rotation ist ein Verdünnungsprinzip»

Das Rotationsprinzip ist eine altbekannte Forderung, namentlich aus den Reihen des Flughafen-Schutzverbands. Es sieht vor, dass jede der vier Himmelsrichtungen, beziehungsweise die dort lebenden Anwohner, Fluglärm-freie Zeitfenster erhalten. Das heisst wiederum, dass in dieser Zeit die drei anderen Himmelsrichtungen den gesamten Lärm zu tragen hätten. Das Rotationsprinzip wurde bisher von der Regierung stets abgelehnt, da es dem Prinzip der Lärmkonzentration zuwiderläuft, wie es die Zürcher Regierung, sekundiert von den Gegnern des Südanflugs, hochhält. «Von Rotation haben wir noch nie etwas gehalten», bestätigt Richard Hirt, Präsident des Fluglärmforums Süd. Dadurch werde der Fluglärm nach dem Verdünnungsprinzip verteilt, und dies widerspreche sämtlichen gesetzlichen Grundlagen, erklärt der CVP-Kantonsrat. Er vermutet, dass der Regierungsrat mit seiner Ankündigung die Gemüter im Norden und Osten des Flughafens beruhigen wollte.

Schutzverbands-Präsident Peter Staub mag der Sache ebenfalls nicht so recht trauen. Er frage sich, wo die Regierung rotieren wolle, wenn sie sich gleichzeitig für eine Konzentration der Bewegungen einsetze. Für den Schutzverband komme eine Rotation nur in Frage, wenn sämtliche vier Himmelsrichtungen lärmfreie Zeitfenster erhalten.

Der Schutzverband hat unterdessen beschlossen, sein Projekt für ein Rotationsprinzip zu stoppen. Es habe sich gezeigt, dass für eine lupenreine Durchführung eine Pistenverlängerung der Westpiste 10/28 notwendig wäre, sagt Staub. Die mit 2500 Metern kürzeste Piste des Flughafens erlaubt nur zeitweise An- und Abflüge von schweren Maschinen, weshalb auch während der Ruhephase im Norden und Süden dort hätten Anflüge durchgeführt werden müssen. Staub schlägt aber nicht alle Türen zu: Man habe im Verband nie ausdiskutiert, ob eine Pistenverlängerung, kombiniert mit dem Rotationsprinzip, hinzunehmen wäre. Ein solches Paket, so Staub, wäre durchaus diskussionswürdig, allerdings nur, wenn gleichzeitig eine Plafonierung bei 320 000 Bewegungen jährlich festgelegt würde.

DVO soll am Morgen gelockert werden

Zu einem derartigen Handel wird es aber kaum kommen. Auf Anfrage relativiert Rita Fuhrers Sprecher Gregor Lüthy das Bekenntnis der Regierung zum Rotationsprinzip. Dies sei eigentlich der falsche Begriff. Vielmehr habe die Volkswirtschaftsdirektorin darauf hinweisen wollen, dass mit der Realisierung von Pistenverlängerungen lediglich lärmfreie Zeitfenster für Westen, Osten und Süden eingeführt werden könnten, nicht aber für den Norden. An der bisherigen Politik des Regierungsrats habe sich nichts geändert, so Lüthy. Der Regierungsrat setze sich nach wie vor für eine Bündelung des Fluglärms über wenig besiedeltem Gebiet, das heisst nach Möglichkeit ohne Südanflug, ein. Bei der Volkswirtschaftsdirektion glaubt man nach wie vor an Konzessionen der deutschen Seite. Im Vordergrund stehe derzeit die Forderung nach einer Lockerung der einseitigen Verordnung (DVO) am frühen Morgen, wenn die Maschinen von Süden her auf Zürich anfliegen.

NZZ, 11.07.2007