Mit Zug statt Flugzeug zum Geschäftstermin (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Schneller, billiger – und mehr Komfort: Europas Bahnen und ihre Allianz greifen die Airlines im Städteverkehr frontal an.

Von Judith Wittwer, Frankfurt

Bisher schätzten die französischen Geschäftsleute an der Bankenstadt Frankfurt vor allem eines – die Nähe zum Flughafen: Keine halbe Stunde dauert es vom Hauptbahnhof zum Check-in-Schalter – und ab gehts nach einer weiteren Stunde Sicherheits- und Passkontrollen ins heimatliche Paris.
Ab 10. Juni lohnt es sich nun für sie, auf den Zug umzusteigen. Neu braucht der ICE für die Strecke dann nur noch 4 Stunden und 11 Minuten – rund 2 Stunden weniger als heute. Inklusive aller Checks sowie An- und Abreise zum Flughafen kommt der Flieger auf 4 Stunden und 15 Minuten – die oft verstopften Pariser Strassen und andere Unwägbarkeiten wie etwa die Luftraumüberlastung nicht mit eingerechnet.
Auch Zürcher müssen es sich künftig zweimal überlegen, ob sie nach Paris wirklich das Flugzeug nehmen wollen. Ab 10. Juni verkürzt sich auch ihre Zugreise um beinahe zwei Stunden. Mit viereinhalb Stunden dauert die Fahrt dann fast ebenso lange wie die effektive Reisezeit durch die Luft, nur ist sie billiger (siehe Grafik).

Bordservice und Laptop-Anschluss

An der ICE-Strecke Paris–Frankfurt und dem TGV-Lyria-Angebot Paris–Zürich lässt sich veranschaulichen, was der Kunde von der neuen europäischen BahnAllianz namens Railteam erwarten darf. Vor dem kommerziellen Start des Verbunds zwischen der französischen SNCF, der Deutschen Bahn, der österreichischen ÖBB, der belgischen SNCB, der niederländischen NS, dem britischen Eurostar und der SBB im Dezember will sich offiziell zwar niemand zu den konkreten Plänen äussern. Wie die beiden Neuangebote ab Paris aber zeigen, dürfte der Zug künftig nicht nur wegen verkürzter Reisezeiten und günstigerer Tarife im europäischen Städteverkehr auch für Geschäftsleute zur echten Alternative zum Flugzeug werden:

  • Service: Wer 1. Klasse fährt, wird auf den zwei Strecken am Platz bedient. Der Reisende erhält eine kleine Mahlzeit und kann Taxi-Reservationen vornehmen; im ICE liegen überdies – wie im Flugzeug – verschiedene Tageszeitungen auf. Auf der Strecke Zürich–Paris können die Gäste laut Lyria-Direktor Christian Rossi auch in der 2. Klasse DVD-Unterhaltung kaufen.
     
  • Arbeitsort: Im Gegensatz zum Flugzeug kann man im Zug während der ganzen Fahrt arbeiten. Im ICE verfügen alle Sitzplätze über Laptop-Steckdosen, beim TGV Lyria immerhin die in der 1. Klasse.
     
  • Vielfahrer-Rabatte: Meilen sammeln ist bei der Deutschen Bahn schon länger Usus. Davon profitieren die Kunden nun bis ins Ausland. Generell soll das Buchen, Sammeln und Abrechnen mit der neuen Bahn-Allianz überarbeitet und angeglichen werden.

Der Konkurrenz in der Luft setzt das Hochgeschwindigkeitsnetz zu: Air Berlin versucht laut ihrer Sprecherin Angelika Schwaff schon gar nicht mehr, ab Zürich Flüge unter einer Distanz von 500 Kilometer anzubieten. Die Strecke Zürich–Frankfurt hat der Billigflieger nach kurzer Zeit wieder aufgegeben. Rivale Easyjet steuert von Basel aus ab Ende Juni die Badedestination Olbia auf Sardinien an Stelle von Paris an.
«Auf Strecken bis viereinhalb Stunden können wir punkten», meint eine Sprecherin der Deutschen Bahn. «Auf Grund unserer Zusatzleistungen und der Fahrt von Innenstadt zu Innenstadt sind wir für Geschäftsreisende die klar bessere Wahl.» Auch die SBB hoffen dank Railteam künftig noch mehr Businessleute in ausländische Städte fahren zu können. «Dazu werden sicherlich auch die markant kürzeren Fahrzeiten etwa auch nach Mailand oder München beitragen», ist SBB-Sprecher Roland Binz überzeugt.
Bei der Swiss lässt man sich nicht einschüchtern. «Erstens ist die Rivalität zwischen Bahn und Flugzeug schon heute Realität», sagt Sprecher Jean-Claude Donzel, «und zweitens dienen die Städtestrecken vor allem auch als Zubringer fürs Langstreckennetz.» Die Swiss erwartet daher durch die neue Bahn-Allianz kaum Einbussen. «Der Markt braucht beides», ist sich Donzel sicher.
Auf der Strecke Genf–Paris hat der TGV mit über 50 Prozent Marktanteil aber schon heute die Nase vorn. Hält die Ökowelle an, könnte sich dieser Anteil erhöhen. Bereits sollen erste Unternehmen ihren Angestellten raten, auf Strecken unter 450 bis 550 Kilometer die Bahn statt das Flugzeug zu nehmen.

 

Tages-Anzeiger, 22.05.2007, Seite 25


siehe auch:
Zug statt Flug: Manager entdecken die Bahn (Cash)