Lärmabgabe und ein Ruhe-Label? (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Der Bund prüft die Einführung einer Art Lärmsteuer. Wer Lärm verursacht, müsste dann eine Abgabe entrichten. Zudem schwebt dem Bundesamt für Umwelt vor, besonders ruhigen Wohngebieten ein Label zu verleihen.

Vorgestellt wurden die Absichten vom Vizedirektor des Bundesamts für Umwelt (Bafu), Gérard Poffet, auf der Internetseite des Bundesamts mit Blick auf den «Tag gegen Lärm» am 25. April. Ruhe sei eine Ressource für die Gesellschaft, sagte Poffet. Um dieser Ressource einen Wert zu geben, untersuche das Bafu derzeit die Idee einer Lärmhypothek auf seine Machbarkeit. Ein Lärmproduzent hätte demnach zwei Möglichkeiten: Entweder er reduziert den Lärm oder er bezahlt Zinsen für die Hypothek, also eine Abgabe.

Die Abgabe leisten müssten die Inhaber von Lärm verursachenden Anlagen, wie Irène Schlachter von der Abteilung Lärmbekämpfung beim Bafu auf Anfrage sagte – bei der Strasse etwa die Kantone oder beim Flugverkehr die Flughäfen. Ob die Idee weiterverfolgt wird, entscheide sich im nächsten Frühling nach Abschluss der Studie.

Ein Problem bei der Umsetzung der Idee ist laut Poffet, dass Lärm subjektiv wahrgenommen wird. «Das Vogelgezwitscher ist kein Lärm, weil es nicht stört, auch wenn es den Wert von 60 Dezibel übersteigt.» Hingegen fühlten sich bei einer Strassenlärmbelastung von 60 Dezibel 25 Prozent der Leute gestört. Neben der zwangsweisen Abgabe möchte das Bafu einen freiwilligen Anreiz geben. An Wohngebiete, die gewisse Lärmgrenzen einhalten, soll ein Ruhe-Label verliehen werden. (raa/sda)

Tages-Anzeiger, 22.04.2007


Kommentar VFSN:
Dieses Label hätten vor dem 30.10.2003 sehr viele Wohngebiete am Pfannenstiel erhalten - jetzt wohl kein einziges mehr...


Der Bund erwägt eine Lärmsteuer

Wer Lärm macht, belästigt die anderen. Der Bund untersucht nun, ob er die Störenfriede mit einer neuen Steuer zur Kasse bitten soll. Betroffen wären etwa Flughäfen und die Eisenbahn.

Von Philipp Mäder, Bern

Die Anwohner des Flughafens Zürich klagen am lautesten über den Lärm. Doch entlang von Strassen und Eisenbahnlinien teilen rund eine Million Menschen ihr Schicksal. Am «Tag gegen den Lärm» vom Mittwoch werden die Betroffenen auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

Dabei erhalten sie Schützenhilfe aus dem Bundesamt für Umwelt (Bafu). Dieses prüft zurzeit die Einführung einer Lärmsteuer: Wer Krach macht, soll regelmässig Tribut leisten. Bafu-Vizedirektor Gérard Poffet spricht von Lärm als einer Hypothek gegenüber der Gesellschaft. «Der Lärmproduzent hat zwei Möglichkeiten: Entweder bezahlt er laufend Zinsen für diese Hypothek und entschädigt die Gesellschaft so für den Schaden, den er anrichtet. Oder er zahlt die Hypothek zurück – er reduziert den Lärm.» Sein Vorhaben legt Poffet in einem Interview auf der Internetseite des Bafu dar. Die Idee dahinter: Bei einer genügend hohen Lärmsteuer lohnt es sich, in leisere Flugzeuge, Lastwagen und Eisenbahnzüge zu investieren. «Zurzeit untersuchen wir anhand eines Gebietes beim Flughafen Zürich, wie hoch die Abgabe sein muss, damit sie zu einer Lärmreduktion führt», sagt Urs Jörg, Chef der Abteilung Lärmbekämpfung im Bafu. Die Steuer begleichen müssten die Besitzer der Infrastruktur. Bei der Strasse sind das Bund, Kantone und Gemeinden, beim Flugverkehr die Flughäfen, bei der Bahn beispielsweise SBB und BLS. Wohin das Geld geht, ist noch unklar: «Entweder bekommen es die vom Lärm Betroffenen, oder es fliesst wie bei anderen Lenkungsabgaben an alle zurück – etwa über die Krankenkassenprämien», sagt Jörg. Ebenfalls unklar ist, ob es eine Gesetzesänderung braucht oder ob der Bundesrat dies in einer Verordnung regeln kann. Ende Jahr sollen genauere Angaben vorliegen.

Der Vorteil einer solchen Steuer gegenüber bereits bestehenden Entschädigungen: Die Lärmproduzenten können sich nicht mehr mit einer einmaligen Zahlung freikaufen – und dann weiterhin ungestraft lärmen. Zudem sind heute die Aus- sichten auf Entschädigungen schlecht. Die zuständige Schätzungskommission hat zwar die Zürcher Flughafenbetreiberin Unique zu einer Abfindung für drei Hausbesitzer in Opfikon verpflichtet. 15 weitere Klagen wies sie aber ab. Bereits 2005 merkte der Bundesrat kritisch an: «Mit Abgeltung der Entschädigung bestehen für den Lärmverursacher keine wirtschaftlichen Anreize mehr, seine Emissionen zu verringern, obwohl die Bevölkerung weiterhin von Lärm betroffen ist.»

Unique hält nichts von Lärmsteuer

Die neue Steuer hätte noch einen weiteren Vorteil. Die Lärmverursacher müssten nicht plötzlich hohe Entschädigungen bezahlen – sondern lediglich eine verhältnismässig geringe Gebühr, die dafür jedes Jahr anfällt. Unique lehnt das Ansinnen dennoch ab: «Der Flugverkehr kommt bereits für die Lärmkosten auf», sagt UniqueSprecher Jörn Wagenbach [siehe auch: Flughafen: Kein Anreiz für leisere Flieger (TA)]. Zum einen mit dem Lärmfünfliber, den jeder Passagier bezahle. Zum andern mit teureren Landegebühren für laute Flugzeuge. Wagenbach reicht den schwarzen Peter an die Bahn weiter: «Zugfahrer müssen keine Lärmgebühr zahlen. Stattdessen finanziert die öffentliche Hand den Lärmschutz der SBB.» SBB-Sprecher Roland Binz will zum Vorschlag des Bundes keine Stellung nehmen. Er verweist vielmehr auf das bis 2015 laufende Programm zur Lärmsanierung. Dieses wird allerdings nicht von den Bahnen, sondern zu einem grossen Teil über die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe bezahlt.

Geteilte Ansichten bei Politikern

In der Politik stösst die Lärmsteuer auf unterschiedliche Reaktionen. Der Präsident der ständerätlichen Umweltkommission, Simon Epiney (CVP, VS), winkt ab: «Wir haben schon genug Abgaben. Eine Lärmsteuer würde nur den Flughafen Zürich verteuern und damit dessen Wettbewerbsfähigkeit schmälern.» Zudem gehe die Hälfte einer solchen Abgabe erfahrungsgemäss für die Bürokratie drauf.
Seine Kollegin von der nationalrätlichen Umweltkommission, Barbara Marty Kälin (SP, ZH), findet die Idee hingegen richtig. «Die Lärmsanierung braucht finanzielle Anreize. Sonst geht in diesem Bereich nichts.» Dass darunter auch der laute, aber umweltfreundliche Güterverkehr leiden könnte, nimmt Marty Kälin in Kauf: «Wir müssen aufhören, zwischen gutem und schlechtem Lärm zu unterscheiden. » Auch die Bahnen könnten sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Unterstützung erhält das Bafu zudem vom der Schweizerischen Liga gegen den Lärm. «Damit wird das Verursacherprinzip beim Lärmschutz, das schon heute im Gesetz steht, umgesetzt», ist Präsident Robert Hofmann überzeugt.

Tages-Anzeiger, 23.04.2007, Seite 11



Der Lärm kostet uns 120 Millionen

Bern. – In der Schweiz leben etwa eine Million Menschen in Gebieten mit überschrittenen Grenzwerten für Umgebungslärm. Dadurch entstehen laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) geschätzte Gesundheitskosten von 120 Millionen Franken.
Die ständige Lärmbelastung durch Umgebungslärm führe zwar selten zu einer direkten Schädigung des Gehörs. Der Körper reagiere aber automatisch mit der Ausschüttung von Stresshormonen. Die Folgen seien erhöhte Herzfrequenz und Blutdruckwerte.
Laut Untersuchungen des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) gehen wegen Herzkrankheiten als Folge von Lärm, der tagsüber anfällt, jährlich rund 330 Lebensjahre vorloren – durch vorzeitige Todesfälle. Bluthochdruckbedingte Krankheiten durch Lärm in der Nacht seien für den Verlust von weiteren 900 Lebensjahren verantwortlich. (SDA)