Flugreisende wieder auf dem Boden (HZ)

Publiziert von VFSNinfo am

SBB - Im Wettbewerb mit den Billigfliegern setzen die Bundesbahnen auf Kampfpreise. Gleichzeitig bauen sie ihre Zusammenarbeit mit ausländischen Anbietern laufend aus. Mit einigem Erfolg, wie die jüngsten Zahlen zeigen.

Für 22 Franken von Zürich nach Paris: Mit Einführungs- und Sonderangeboten wollen die Bahnen den Billigfliegern Kunden abwerben.

Robert Wildi

Durch die soliden operativen Ergebnisse aus dem vergangenen Jahr und den Gewinn von 260 Mio Fr. lässt sich Andreas Meyer nicht blenden. «Die Marktöffnung ist in vollem Gange und der Wettbewerb hart», sagt der seit Januar 2007 im Amt stehende CEO der SBB. Das heisst: Gewinne müssen bei den Bundesbahnen auch künftig hart erarbeitet werden. Neben anderen Herausforderungen hat sich SBB-Chef Meyer in naher Zukunft dieser Frage besonders zu widmen: Wie sind Billigfluggäste zur Rückkehr auf die Bahn zu bewegen?

Seit rund fünf Jahren sind die SBB durch Dumping-Tarife der Billigflieger massiv unter Druck geraten. «Schneller und erst noch billiger» sind Argumente, mit denen zum Beispiel eine Air Berlin in Zürich seit Jahren ihre Passagierzahlen hoch treibt - mit Ticketpreisen ab 49 Fr. Weil sich traditionelle Airlines wie Swiss dem Preiskampf stellen und die Tarife ebenfalls massiv senken mussten, sehen sich die SBB heute auf fast allen europäischen Strecken, die früher traditionell per Zug gefahren wurden, von der fliegenden Konkurrenz bedrängt.

Billigangebote

Die Reaktion der SBB blieb nicht aus: Auf den von den Airlines mit Tiefpreisen beworbenen Strecken haben sie seit Jahren Sonder- und Frühbucherangebote lanciert. Zürich-Genf gibt es heute beispielsweise ab 18 Fr. mit dem Zug, Zürich-Mailand ab 30 Fr., Zürich - München ab 45 Fr., Zürich - Wien oder Venedig ab 46 Fr. Das aktuelle Hammerangebot ist der Einführungspreis von 22 Fr. für die neue TGV-Strecke Zürich-Paris.

Der SBB-CEO gibt sich kampflustig und kündigt weitere Verbesserungen bei Angebot, Preisen und Streckenvielfalt an. Schnelle Taktverbindungen, viel Reisekomfort und Platz sowie ein guter Service sind die Argumente, mit denen er neben attraktiven Tarifen punkten will. Speziell den Verkehr nach Italien möchte Meyer im Umfeld der Eröffnung des Lötschberg-Basis-tunnels intensivieren.

Auf Meyers Agenda steht weiter der Ausbau von bewährten Kooperationen mit ausländischen Bahnbetrieben. So ist das letztjährige SBB-Wachstum von 10% im Verkehr von und nach Deutschland vor allem auf die Aktivitäten der neuen Marketinggesellschaft Rheinalp von SBB und der Deutschen Bahn (DB) zurückzuführen. Ein weiteres Beispiel für die internationale Ausrichtung der Bundesbahnen ist die Lyria SAS, eine gemeinsame Tochtergesellschaft von SBB und der französischen SNCF. Sie hat 2006 die Passagierfrequenzen auf der Strecke Genf- Paris um 7% und ihren Marktanteil über alle Verkehrsträger (Bahn, Auto, Flugzeug) für diese Strecke auf über 50% erhöht.

Keine Hilfe vom Flughafen

Die Airlines reagieren in der Regel gelassen auf das Säbelrasseln der Bahn-Konkurrenz, auch wenn sich Easy Jet aufgrund der neuen TGV-Offerte von der Strecke Basel-Paris zurückzieht. Stefan Gutknecht, Verkaufschef Schweiz von Air Berlin, sieht in den SBB keinerlei Konkurrenz für das eigene Geschäft. «Wir sind viel schneller und in den meisten Fällen immer noch günstiger.» Bei Swiss wird zwar das neue TGV-Angebot nach Paris als ernst zu nehmende Konkurrenz empfunden. «Aber nur für Passagiere, die ein Wochenende dort verbringen», sagt Sprecher Jean-Claude Donzel. Dennoch räumt er ein, dass man bei Swiss auf Bahn-preisaktionen ebenfalls mit Tarifsenkungen reagiere.

Unterstützung vom Zürcher Flughafen, zum Beispiel durch gezielte Gebührensenkungen, erhalten im Wettbewerb mit der Bahn weder traditionelle Airlines noch die Billigflieger. «Als rein privates Unternehmen können wir uns solche Subventionen nicht leisten», sagt Jörn Wagenbach, Sprecher der Flughafenbetreiberin Unique. Die Aussage lässt durchblicken, dass die Spiesse gegenüber der vom Bund subventionierten Bahn als ungleich empfunden werden.

Experten schwenken nicht auf diese Argumentation ein. Gemäss Christian Lässer, Tourismusfachmann an der Universität St. Gallen (HSG), werden die öffentlichen Bahnsubventionen primär im öffentlichen Nahverkehr (Service Public) sowie für den Netzbetrieb und -unterhalt eingesetzt. Im Falle Frankreich und TGV weiss er: «Strecken, die nicht rentieren, werden eingestellt.»

Handelszeitung, 11.04.2007, Seite 10