Zürcher Regierung bekämpft neue Regeln für Fluglärm-Entschädigung (NZZaS)

Publiziert von VFSNinfo am
Regierung und Flughafen Zürich erzürnen bürgerliche Politiker und Hauseigentümer

Die Zürcher Regierung und der Flughafen bekämpfen ein neues Gesetz, das fluglärmgeplagten Hauseigentümern einfacher zu Entschädigungen verhelfen soll. Damit verärgern sie auch bürgerliche Parlamentarier.

Pascal Hollenstein

Der Zürcher FDP-Nationalrat Rolf Hegetschweiler gilt in Bundesbern als verlässlicher Vertreter der Interessen der Wirtschaft. Wie sich der Zürcher Regierungsrat derzeit aber hinter den Flughafen Zürich stellt, das geht selbst Hegetschweiler zu weit: «Der Regierungsrat hat die Interessen der Bevölkerung im Auge zu behalten. Es kann deshalb nicht die Rolle der Regierung sein, einseitig die Anliegen des Flughafens zu unterstützen», sagt er. Man habe es hier mit einem Grundsatzproblem zu tun. Da der Kanton Hauptaktionär des Flughafens sei, befinde sich der Regierungsrat in einem ständigen Interessenkonflikt. «Rita Fuhrer ist in Personalunion Verwaltungsrätin des Flughafens und für das Dossier zuständige Regierungsrätin. Diese beiden Interessen sind schwer unter einen Hut zu bringen», sagt Hegetschweiler.

Kurzschluss mit Flughafen

Den Zorn Hegetschweilers hat die Zürcher Regierung auf sich gezogen, weil sie sich in einer Stellungnahme gegen einen Gesetzesentwurf wehrt, der die rechtliche Position von fluglärmgeplagten Hauseigentümern verbessern will. Die Vorlage, die Hegetschweiler im Jahr 2002 initiiert hatte, ist im letzten Herbst den Kantonen, Gemeinden und interessierten Organisationen zur Stellungnahme zugestellt worden. Das Echo darauf war durchzogen, wie ein Blick in die Vernehmlassungsunterlagen zeigt, die jetzt durchgesickert sind. Die vom Fluglärm betroffenen Gemeinden und insbesondere der Hauseigentümerverband begrüssen die Vorlage ganz oder in wesentlichen Teilen, auch Kantone wie Bern signalisieren Zustimmung. Richtiggehend abgeschmettert wurde das Projekt aber von der Zürcher Regierung und dem Flughafen Zürich - mit bemerkenswert übereinstimmenden Argumenten.

Laut dem Gesetzesentwurf sollen die Flughäfen künftig bei einer Änderung des Betriebsreglements die übermässig belärmten Gebiete parzellengenau ausweisen und die betroffenen Eigentümer anschreiben. Daraufhin können diese Entschädigungsansprüche geltend machen. Das bisherige Vorgehen wird damit umgedreht: Nicht mehr die Hauseigentümer müssen sich Gedanken machen, ob ihre Liegenschaften übermässig belärmt werden, sondern der Flughafen muss ihnen das mitteilen. Das Problem vieler Hauseigentümer, dass ihre Ansprüche bereits verjährt sind, wenn sie die Entschädigung einklagen, soll damit eliminiert werden. Gleichzeitig will das Gesetz auch die Position der Mieter stärken: Erhält der Eigentümer eine Entschädigung, so soll er verpflichtet werden, diese an seine Mieter weiterzureichen.

Flughafen und Kanton Zürich lassen an diesem neuen Vorgehen allerdings kein gutes Haar. Das Verfahren sei zu kompliziert, zu teuer, administrativ zu belastend. Es verunmögliche zudem jede kurzfristige Umstellung des Betriebsreglements, wie sie etwa nach der einseitigen deutschen Verordnung nötig geworden sei. Der Flughafen befürchtet zudem zusätzliche Kosten von 200 bis 400 Millionen Franken für Forderungen, die nach altem Recht verjährt sind, nach dem vorgeschlagenen neuen aber wieder aufleben könnten.

In der Vernehmlassung war dieses Urteil nicht unbestritten. Die SVP, der auch Regierungsrätin Fuhrer angehört, begrüsst die Vorlage uneingeschränkt als «Massnahme zum Abbau der Regulationsdichte und zur Vereinfachung von Verfahrenswegen». «Vernünftig» sei die Vorlage, findet auch der Präsident der zuständigen parlamentarischen Subkommission, der Zürcher SVP-Nationalrat Robert Keller. Dass sich die Zürcher Regierung dagegen wehre, könne er sich nur damit erklären, dass man sich «mit dem Flughafen kurzgeschlossen» habe: «Die Regierung hat wenig Verständnis für eine Minderheit, die vom Flughafen stark tangiert wird», beklagt Keller.

Bürgerliche Irritation

Auch SP-Nationalrätin Barbara Marty Kälin, die ebenfalls in der Kommission sitzt, sieht das so: «Frau Fuhrer hat sich bisher nicht dadurch hervorgetan, dass sie sich um die Anliegen der Bevölkerung kümmert. Ihre Sympathien liegen eindeutig beim Flughafen», sagt Marty. Hegetschweiler ist auch politisch irritiert. Die Zürcher Regierung sei doch bürgerlich, sagt er. Er verstehe es deshalb überhaupt nicht, dass man sich im Zweifel für den Schutz des Staatseigentums - also des Flughafens - und nicht für jenen des Privateigentums - also der lärmgeplagten Hausbesitzer - ausspreche, sagt er. SVP-Regierungsrätin Rita Fuhrer, die im Regierungsrat das Flughafendossier betreut, lässt zu den Vorwürfen auf Anfrage lediglich ausrichten, die Vernehmlassungsantwort sei vom Gesamtregierungsrat beschlossen und von ihr zusammen mit der Baudirektion ausgearbeitet worden. Den Vorwurf, die Zürcher Regierung vertrete lediglich die Interessen des Flughafens, weist Fuhrer zurück. Die Frage allerdings, ob sich die Regierung bei ihrer Argumentation mit dem Flughafen abgesprochen habe, lässt Fuhrer unbeantwortet.

Laut SVP-Nationalrat Keller ist die Subkommission von der Zürcher Stellungnahme ohnehin «unbeeindruckt». Bereits im Mai werde man das Projekt der nationalrätlichen Verkehrskommission vorlegen, die im Grundsatz schon einmal einstimmig ihren Segen zum Projekt gegeben hat. Keller geht davon aus, dass das Geschäft im Herbst in den Nationalrat kommt. Dann erwartet er Widerstand: «Der Flughafen wird seine Beziehungen ins Parlament dann schon spielen lassen», sagt er.

NNZ am Sonntag, 08.04.2007


siehe auch:
Fragwürdige Rechtsprechung zur Fluglärm-Entschädigung (NZZ)