Gekröpfter Nordanflug - sicher genug? (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am

Studie warnt vor Einführung des Nicht-Präzisions-Verfahrens

Der gekröpfte Nordanflug ist für die einen ein Heilsversprechen, während andere seine Möglichkeiten für weit überschätzt halten. Im folgenden Diskussionsbeitrag befasst sich der Autor Rudolf Bolli kritisch mit den Sicherheitsaspekten des Anflugverfahrens. Bolli war bis Mitte 2001 NZZ-Redaktor und unter anderem zuständig für das Flughafendossier.

Am Flughafen Zürich ist eine widersprüchliche Entwicklung im Gang: Einerseits sind die Pisten 28 und 34, die seit den Einschränkungen für den deutschen Luftraum regelmässig als Landepisten benützt werden müssen, mit Instrumentenlandesystemen (ILS) ausgerüstet worden zur Erhöhung der Sicherheit im Vergleich zum zuvor praktizierten Anflugverfahren mit VOR/DME (Kursanzeige und Distanzmessung ohne Gleitweganzeige). Nun soll umgekehrt mit dem geplanten «gekröpften Nordanflug» an die Stelle von Präzisionsanflügen mit dem ILS ein Verfahren treten, dessen letzte Phase, bestehend aus einer Kurve über dem Stadlerberg und einem verkürzten Endanflug, nach Sicht geflogen werden soll. Dass damit ein erhöhtes Risiko in Kauf genommen werden muss, scheint auf der Hand zu liegen.

Zur Frage der Sicherheit einer solchen Regelung finden sich einige bemerkenswerte Überlegungen in einer aufschlussreichen Studie der englischen Civil Aviation Authority (CAA) (siehe «Mehr zum Thema»). Diese Studie der CAA Safety Regulation Group befasst sich mit Sicherheitsaspekten in Zusammenhang mit den häufigsten Verfahren zur Verminderung oder Vermeidung von Immissionen. Sie beruht auf Umfragen bei Fachleuten und der Auswertung von Statistiken, Unfalluntersuchungen und weiterer Daten. Bei uns ist das CAA- Papier in der Öffentlichkeit kaum bekannt geworden, obwohl darin auch Bezug genommen wird auf den Absturz einer Crossair-Maschine bei Bassersdorf am 24. November 2001.

In dem Bericht kristallisiert sich ein Verfahren als besonders problematisch heraus: jenes der «non-precision approaches», also die Verlagerung von Landungen auf Pisten, die nicht mit den Instrumenten für Präzisionsanflüge ausgerüstet sind. Dem ist im Falle des «gekröpften Nordanfluges» der Verzicht auf die Verwendung dieser Instrumente beim Endanflug gleichzusetzen. Das latente Risiko bei diesen Verfahren liegt gemäss der CAA-Studie in der erhöhten Belastung der Piloten, die deren Kapazitätsreserven vermindert. Das bedeutet im Normalfall zwar noch keine Gefahr, es kann aber kritisch werden, wenn Komplikationen auftreten, zu deren Bewältigung diese Reserven benötigt würden. In einem solchen Fall ist zu befürchten, dass die Piloten nicht mehr richtig oder nicht mehr rasch genug reagieren. Die Folgerung aus der Auswertung von Unfallberichten sei klar, heisst es in der Studie: Es sei kaum einzusehen, wie Nicht-Präzisions-Anflüge einzig aus Gründen des Umweltschutzes zu rechtfertigen seien, wenn Einrichtungen für Präzisionsanflüge verfügbar wären. Für den Flughafen Zürich aber plant man genau eine Lösung der Art, die von den englischen Experten als unklug verworfen wird: «The evidence is that the use of non-precision approaches solely for environmental reasons is unwise.»

Offenbar sind heute die technischen Voraussetzungen zur Ausgestaltung des «gekröpften Nordanfluges» als Präzisionsanflug noch nicht gegeben. Solange das so ist, kann man sich kaum mit gutem Gewissen für seine rasche Einführung einsetzen. Das CAA-Papier wurde im Jahre 2004 veröffentlicht. Im gleichen Jahr erschien der Bericht des Bundesrates über die Luftfahrtpolitik der Schweiz, in dem Sicherheit als oberstes Gebot dargestellt wird. «Insgesamt strebt die Schweiz einen im europäischen Vergleich hoch stehenden Sicherheitsstandard an», schrieb der Bundesrat. Man würde von den zuständigen Instanzen gerne wissen, wie der «gekröpfte Nordanflug», so wie er jetzt geplant wird, mit diesem Ziel in Einklang gebracht werden kann.

04.01.2007, NZZ


siehe auch:
Gekröpfter Nordanflug sicher genug! (Stellungnahme VFSN)