Bastelt auch Berlin an einer Paketlösung? (Suedkurier)

Publiziert von VFSNinfo am
Nicht nur Stuttgart, auch Berlin bereitet offenbar eine Paketlösung zur Beilegung des Fluglärmstreits mit der Schweiz vor. Dieser Verdacht keimt seit einer Plauderei des Vorsitzenden des Bundesverkehrsausschusses, Klaus Lippold (CDU) auf, der bei einer Veranstaltung der IHK Hochrhein-Bodensee zu den laufenden Fluglärmverhandlungen Stellung nahm. Lippold erklärte: "Zurzeit befinden sich Deutschland und die Schweiz in Gesprächen zu diesem Thema (Paketlösung Anm.d.Red.). Ende Oktober ist der Schweizer Verkehrsminister Leuenberger zu Bundesverkehrsminister Tiefensee gereist und hat mit ihm die Problematik erörtert. Weitere Gespräche werden sich hieran anschließen. Ein neues Treffen ist für März 2007 geplant. Zuvor soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe Vorschläge erarbeiten, wie die Probleme gelöst werden könnten." Die Hinweise auf ein mögliches Geschäft mit Gegenleistungen, bei dem es um die Übernahme von mehr Fluglärm durch Deutschland gehen würde, verdichten sich. Am Samstag hatte diese Zeitung berichtet, dass dem Staatsministerium eine Vereinbarung vorliegt, die Minister Willi Stächele (CDU) und der Schweizer Außenamtsstaatssekretär Michael Ambühl unterzeichnet haben. Darin werden zahlreiche Punkte aufgelistet, an deren Lösung man sich Anfang 2007 mit Nachdruck machen will - etwa die Fortführung der deutschen A98 über Schweizer Gebiet und die Entwicklung einer Metropolregion Zürich ("Greater Zürich Area") nach Südbaden hinein. Ein Sprecher des Staatsministeriums hatte am Freitag zudem bestätigt, dass der Fluglärmstreit "vorerst" nicht Gegenstand der Verhandlungen sei - bis zu einer Lösung in Berlin.

Ein diplomatisches Ringen um eine Paketlösung stünde freilich in krassem Widerspruch zu den bisherigen Äußerungen aus Stuttgart und Berlin. Denn sowohl Ministerpräsident Oettinger (CDU) wie auch Verkehrsminister Tiefensee (SPD) haben bislang jede Verknüpfung der Flughafenfrage mit anderen Themen zurückgewiesen.

Der Waldshuter Bundestagsabgeordnete Thomas Dörflinger (CDU) reagierte gestern empört über einen möglichen Kuhhandel. "Wenn das zutrifft, dann kann er was zu hören bekommen," sagte Dörflinger an die Adresse Stächeles, der auch südbadischer Bezirksvorsitzender ist. Kürzlich erst hatte dieser bei einem Besuch am Hochrhein das Nein der Landesregierung zu einer Kompensation im Fluglärmstreit bekräftigt. Die Sorgen vor einem "Zug-um-Zug-Geschäft" sind in der Region nicht ganz unbegründet. So plant Zürich gegenwärtig im sogenannten SIL-Verfahren den Ausbau seines Pistensystems. In einer Stellungnahme des Nachbar-Kantons Aargau, die im Internet nachzulesen ist, wird der Bau einer nach Norden ausgerichteten Parallelpiste bis 2015 gefordert, wenn das die Nachfrage notwendig mache. Bei einer Nutzung der dann verfügbaren Engpassfreiheit könnten bis zu 600000 Starts und Landungen in Zürich abgewickelt werden. Bislang sind maximal 350000 möglich. Kritiker in Deutschland sehen in einem Koppelgeschäft nur einen Sieger: die Schweizer Eidgenossen. Die Waldshuter Bürgerinitiative Flugverkehrsbelastung hält lediglich ein Pandemieabkommen für eine "sinnvolle Maßnahme". Ansonsten könne Südbaden nur verlieren, heißt es in einer Analyse. So lasse sich ein gemeinsames Gewerbegebiet Jestetten nur unter Anpassung an EU-Regeln schaffen. Eine Ausdehnung der Metropolregion Zürich über die Grenzen hinweg nach Deutschland schaffe dem potenten Kanton Zürich vor allem Einfluss auf das "Hinterland". In Gesundheitsfragen habe zudem Bern keine Macht, um Patienten oder Schweizer Krankenkassen zu zwingen, das deutsche Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen.

Nicht alle teilen indessen die Kritik an einer Lösung der Probleme. In einem Brief an Bundesverkehrsminister Tiefensee forderte die IHK Hochrhein-Bodensee vor mehreren Wochen, "die Fluglärmfrage in einem größeren Kontext der Nachbarschaft Deutschlands zur Schweiz" zu lösen. Freilich, auch die IHK warnte vor einer "Entscheidung über die Region und ihre Bevölkerung hinweg".

04.12.2006, Südkurier