Analyse über den Gegenvorschlag der Regierung zur Flughafeninitiative (Glattaler)

Publiziert von VFSNinfo am
Komplexe Formel hilft nur dem Flughafen

Der Zürcher Fluglärm Index (ZFI) ist eine komplizierte Formel. Der Hauseigentümerverband (HEV) Dübendorf und Oberes Glattal will den ZFI verstehen und gab deshalb eine Analyse in Auftrag.

von Marcel Amhof

«Mit den Südanflügen hat die Gefahr eines Flugzeugabsturzes über dicht besiedeltem Gebiet zugenommen», erklärte Jörg Gossweiler. Präsident des HEV Dübendorf und Oberes Glattal. Zudem habe sich der Wert der Immobilien in der Süd  und Ostanflugschneise gemäss einer Studie des St. Galler Raumplanungsbüros Strittmatter Partner AC um rund 15 Mrd. Franken vermindert. «Der HEV Dübendorf und Oberes Glattal befasst sich deshalb seit der Einführung der Südanflüge im Jahr 2000 mit dem Fluglärm und will dabei zur Meinungsbildung beitragen.» Mit dem ZFI habe der Regierungsrat des Kantons Zürich einen Gegenvorschlag zur flughafeninitiative präsentiert, den nicht einmal Regierungsrätin Rita Führer verstehe. Der HEV Dübendorf und Oberes Glattal hat deshalb eine Analyse des ZFI in Auftrag gegeben, welche die Formel und ihre Auswirkungen verständlich machen soll.


Grundlagen nicht einsehbar

Thomas Morf, der Verfasser der Analyse, ist kein Unbekannter in der Diskussion über den Fluglärm: Als Präsident des Vereins Flugschneise Süd  Nein (VFSN) kämpft er seit Jahren an vorderster Front gegen die Südanflüge. «Meine Analyse hat keinen wissenschaftlichen Anspruch, da die technischen Berichte, nach denen der ZFI ausgearbeitet wurde, nicht einsehbar sind», erklärte der gelernte Vermessungsingenieur Morf bei der Vorstellung seiner Arbeit. Ohne diese Berichte liessen sich aber einige Aspekte des ZFI nicht analysieren, weshalb sich Morf auf Annahmen und auf fachliche Informationen von Mitgliedern der Projektgruppe ZFI abstützen musste. «Es ist immerhin positiv, dass für den Regierungsrat beim ZFI die betroffenen Menschen das wichtigste Kriterium zu sein scheinen», meinte Morf.


Weniger Lärm, mehr Flüge

In seiner Analyse kommt Morf aber zu einem gegenteiligen Schluss: «Ein Rückgang der Lärmbelastung infolge verbesserter Technik bei den Fluggeräten kommt einzig den möglichen Flugbewegungen zugute, nicht aber der Bevölkerung mit einer Abnahme der Flugbewegungen.» So ermögliche der ZFI bei einer Reduktion des Dauerschallpegels um drei Dezibel eine Verdoppelung der Flugbewegungen, ohne dass sich der Monitoringwert des ZFI verändere. Der Flottenmix als einer der Eckwerte im ZFI habe demnach nur Auswirkungen auf die Anzahl der Flugbewegungen. «Der Regierungsrat kann den Flottenmix nur indirekt über lärmabhängige Start  und Landegebühren beeinflussen», erläuterte Morf. Wirtschaftspolitisch sei aber auch das kaum machbar, da diese Massnahme für die Fluggesellschaft Swiss die grössten Auswirkungen hätte. Neben dem Flottenmix untersuchte Morf auch die anderen Eckwerte des ZFI und mögliche Massnahmen des Regierungsrates zur Veränderung dieser Eckwerte.

Massnahmen nicht realistisch

«Aufgrund gültiger Gesetze und des bestehenden Pistensystems hat der Regierungsrat einen beschränkten Handlungsspielraum, um neue An-  und Abflugrouten einzuführen», führte Morf weiter aus. Dass im ZFI auch Betroffene unter einem Lärmpegel von 54 Dezibel erfasst werden, sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung: «Aus der Berechnungsmethode des ZFI resultieren aber in Gebieten mit sehr grossem Fluglärm signifikant weniger stark betroffene Menschen als mit anderen Berechnungsmethoden», kritisierte Morf.
Auch bei der Nachtsperrordnung und bei der Bevölkerungszahl als weiteren Eckwerten des ZFI sieht Morf kaum politisch umsetzbare Massnahmen des Regierungsrates: «Eine Umsiedelung von bevölkerungsreichen Gebieten oder eine Rückzonung von unbebautem Bauland dürfte nicht realistisch sein.»

Ab 6 Uhr Ist Tag

Kritik übte Morf zudem an der Berechnung von stark schlafgestörten Personen im ZFI, die nur am Abend nach 22 Uhr, aber nicht in den Morgenstunden ab 6 Uhr eingerechnet werden: «Für einen grossen Teil der Bevölkerung hört die Nacht vor allem am Wochenende nicht um 6 Uhr auf.» Deshalb forderte er, dass auch die Randstunden, welche die Menschen als Nacht empfanden, als Nachtstunden im ZFI erfasst und abgebildet würden. Extreme Beurteilungsunterschiede in verschiedenen Studien über die Aufwachreaktion liessen ausserdem Zweifel an der generellen Ausgereiftheit der Nachtformel im ZR aufkommen. «Die Anzahl der Flugbewegungen sind somit der einzige Eckwert im ZFI, der sich substantiell ändern kann», so Morf.


Potenzial an Flugbewegungen

Der Regierungsrat begründe die Wahl des Jahres 2000 mit 325000 Flugbewegungen als Eckwert im ZR mit der damaligen breiten Akzeptanz der Bevölkerung und der politischen Akzeptanz für 320 000, wie sie in der Behördeninitiative zum Ausdruck komme. «Im Jahr 2000 gab es aber noch keine zusätzlichen Ostanflüge und keine neuen Südanflüge über dicht besiedelte Wohngebiete», erklärte Morf.
Den absoluten Rekordwert der Flugbewegungen als Basis zu verwenden, entspreche nicht einer «politischen Vernunft». «Seit dem Jahr 2000 sinken die Flugbewegungen kontinuierlich», meinte Morf. «Trotz boomender Wirtschaft ist in diesem Jahr mit lediglich 220 000 Flugbewegungen im Bereich Linie und Charter zu rechnen.» Mit dem fixierten Eckwert der Flugbewegungen und technischen Verbesserungen im Lärmverhalten von Flugzeugen würde der ZFI ein Potenzial für Flugbewegungen schaffen, die sogar die Kapazität des Pistensystems übersteigen würde, erklärte der Präsident des VFSN.

Instrument ohne Wirkung

Insgesamt spricht Morf dem ZFI die Eigenschaft ab, ein wirkungsvolles Instrument gegen den Fluglärm zu sein: «Der Regierungsrat hat bei keinem Eckwert eine direkte Möglichkeit, diesen nachhaltig zu beeinflussen.» Würde der ZFI eingeführt, dann käme die Regierung wegen der grossen Reserven wohl nie in die Situation, Massnahmen zu beschliessen. Auch Gossweiler vom HEV sieht im Vorschlag der Regierung keine Innovation, «Der ZFI füllt alten Wein in neue Schläuche ab», meinte der Präsident der Sektion Dübendorf und Oberes Glattal, der über 3000 Hauseigentümer angehören. «Getarnt hinter einem komplizierten Zahlenwerk wird den Bedürfnissen des Flughafens Genüge getan, während die Bevölkerung leer ausgeht.» Gossweiler fordert deshalb vom Kantonsrat, dass der ZFI wegen seiner Untauglichkeit nicht als Gegenvorschlag zur Flughafeninitiative präsentiert wird.

Glattaler, 06.10.2006


siehe auch:
Studie zum ZFI (Medienmitteilung HEV)