«Niemand hat zu nichts Nein gesagt» (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Calmy-Rey lotet die süddeutsche Verhandlungsbereitschaft aus

Die Schweizer Aussenministerin besuchte den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger, um den Verhandlungen über die Anflüge auf Kloten den Weg mit allfälligen Gegengeschäften zu ebnen. Die ersten Reaktionen auf diese schweizerische Charmeoffensive fielen indessen zurückhaltend bis ablehnend aus.

sig. Es war keine Sonntagsfahrt, die Bundesrätin Micheline Calmy-Rey gestern in Stuttgart zu Ministerpräsident Günther Oettinger, in den CDU-Wirtschaftsrat und zum Richtfest der Neuen Messe führte. Die FDP, die Juniorpartnerin in Oettingers schwarz-gelber Landesregierung, hatte im Vorfeld des Besuchs einstimmig beschlossen, dass sie auf den «Kuhhandel» nicht eintrete. Eine harte Haltung gegenüber der Schweiz sei Bestandteil des Koalitionsvertrags, hielt die Partei fest.

Skepsis bis Ablehnung aus Prinzip

Vor diesem Hintergrund war klar, dass das Angebot aus Bern, parallel zu den Fluglärm-Verhandlungen Gespräche über andere grenzüberschreitende Projekte zu führen, in Stuttgart nicht mit grosser Begeisterung aufgenommen würde. Als mögliche Gegengeschäfte im Gespräch sind unter anderem die Fortsetzung der A 98 durch Schaffhausen, der Ausbau der S-Bahn-Linie Zürich- Waldshut, eine Alternativlösung zum geplanten Atommülllager in Benken oder eine Liberalisierung im Gesundheitswesen, von der süddeutsche Kliniken profitieren würden. Im Staatsministerium von Baden-Württemberg wollte man sich gestern nicht über das Treffen äussern. Johann Aeschlimann, Mediensprecher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), drückt dasselbe positiver aus: «Niemand hat zu nichts Nein gesagt». Die deutschen Vertreter hätten interessiert zugehört, und man sei übereingekommen, die Gespräche fortzusetzen. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Als Nächstes steht im Oktober der Besuch von Verkehrsminister Moritz Leuenberger bei seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Tiefensee in Berlin auf dem Programm.

Neben jenen, die das Schweizer Angebot «skeptisch prüfen» wollen, gibt es vor allem im Grenzgebiet Stimmen, die ein solches aus Prinzip ablehnen. Grenzüberschreitende Themen müssten einzeln angepackt werden, schreibt der Waldshuter Landrat Tilman Bollacher in einer Medienmitteilung. Die Schweiz profitiere vom Ausbau der A 98 oder von einer Zusammenarbeit im Gesundheitswesen genauso wie Deutschland, von einem Interessenausgleich könne daher nicht die Rede sein.

Innenpolitisch noch nicht abgesichert

Ob Deutschland bereit ist, «den Themenfächer zu öffnen», wie schweizerische Diplomaten diese Kreuzkonzessionen umschreiben, muss sich noch weisen. Das Angebot aus Bern ist erst ansatzweise bekannt und auch innenpolitisch noch nicht abgesichert. Der Ausbau einer S-Bahn-Linie beispielsweise kann nicht von Bern aus verordnet werden, und zum Bau einer Autobahn durch den Kanton Schaffhausen haben auch die Schaffhauser ein Wort mitzureden. Flankierende Massnahmen oder Kompensationsgeschäfte wären vermutlich auch diesseits der Grenze nötig.

NZZ, 26.09.2006