Südschneiser lachten Rita Fuhrer aus (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Massives Polizeiaufgebot und murrende Südschneiser gestern Abend in Maur an Rita Fuhrers «Roadshow» zu ihrem Fluglärmindex.

Von Ruedi Baumann

Maur.  – Schwieriger Gang gestern Abend für Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer in die Südschneisengemeinde Maur. Ein beeindruckendes Polizeiaufgebot patrouillierte vor dem Loorensaal, und Fuhrer wurde von mehr breitschultrigen Männern mit einem Knopf im Ohr umschwirrt als ein Bundesrat. Vor 180 kritischen Bürgerinnen und Bürgern, ein Drittel davon mit gelben Käppli und Fähnli und der Aufschrift «Flugschneise Süd Nein», versuchte Fuhrer erstmals vor breiter Öffentlichkeit den Zürcher Fluglärmindex (ZFI) zu erklären.

Eine Formel mit 273 Zeichen

Schwierig war auch diese Aufgabe. Denn der ZFI ist eine mathematische Formel, die 273 Einzelzeichen enthält und eine ganze A-4- erklärt, handelt es sich um eine Art Waage, welche den von der Bevölkerung subjektiv wahrgenommenen Fluglärm misst. Wichtig ist beim ZFI aber nicht der tatsächliche Fluglärm, sondern die Veränderung. Leisere Flugzeuge, weniger Überflüge oder Anflüge über dünner besiedeltes Gebiet lassen die Waage auf die eine Seite kippen.

Im Gegenzug zeigt die Waage mehr Fluglärm an, wenn die Bewegungen zunehmen, dicht besiedelte Gebiete überflogen werden oder die Nachtsperren verkürzt werden. Sobald die Waage auf die laute Seite kippt – das heisst, wenn sich über 47\'000 Personen stark gestört fühlen – muss der Regierungsrat Massnahmen ergreifen.

Nach einem gemütlichen Warmreden in Affoltern am Albis – nur fünf Personen waren gekommen, weil die Information nicht geklappt hatte – musste sich Fuhrer gestern Abend erstmals kritischen Fragen aus der Bevölkerung stellen.

Dabei wurde schnell klar: Ihr Lärmindex hat viele Feinde: Grüne und Linke und alle anderen, die sich vom Lärm gestört fühlen. Die einen wollen eine Plafonierung auf 250 000 Bewegungen, und die Bewohner im Süden streben einen kompletten Verzicht auf Südanflüge an.

«Das Einzige, was zählt, ist, dass die Südanflüge verschwinden und das Recht wieder gilt», sagte ein Mann in Maur. Klar wurde auch: Die meisten im Saal glauben nicht an den komplizierten Index, für sie zählt nur der Lärm über dem eigenen Haus.

Die meisten im Saal glauben nicht an den komplizierten Fluglärmindex

Umstritten an Fuhrers Formel ist zudem, wie gestern in der Diskussion klar wurde, die Grundeinstellung der Waage, um bei diesem Vergleich zu bleiben. An und Abflugrouten sowie der Flottenmix (laute und leise Flugzeuge) beziehen sich aufs Jahr 2004, die Flugbewegungen dagegen aufs Jahr 2000. Das ist ausgerechnet das Jahr mit dem höchsten Verkehr in Kloten (326\'000 Bewegungen). Kritisiert wurde auch, dass die Lärmwaage auf 46\'000 Personen eingestellt werden soll. «Man sollte doch, versuchen, den Index so tief wie möglich zu halten», sagte jemand.

Das Publikum verhielt sich zeitweise wie eine aufmüpfige Schulklasse im Teenager- Alter, rief häufig dazwischen, lachte abschätzig und schüttelte immer wieder demonstrativ den Kopf. Fuhrer liess sich spürbar verunsichern, wirkte verkrampft und nicht so überzeugend wie sonst. Als sie zum Beispiel sagte, der Süden habe im Vergleich zu anderen Gebieten unter der Woche am Morgen «nur» eine Stunde Fluglärm, brach sofort Protestgeheul los.

Später wurde Fuhrer als «Serviertochter des Wirtschaftsstandorts Zürich» bezeichnet. Weiter wurde ihr «Arroganz» vorgeworfen, weil sie im Zusammenhang mit dem ZFI von Transparenz gesprochen hatte. Fuhrer blieb immer cool und sachlich. Erst als ein Teilnehmer behauptete, Regierungsrat Ruedi Jeker habe seinerzeit die Deutschen mit dem «Stinkefinger» provoziert, wurde Fuhrer resolut: «So reden wir nicht, vor allem nicht über einen, der nicht hier ist.» Am Schluss erhielt Rita Fuhrer trotzdem Blumen und sogar einen kurzen Applaus.

TA, 07.09.06, Seite 15




siehe auch:
Fuhrer geht in die Höhle des Löwen (TA, 06.09.2006)
Rita Fuhrer im Schneiser-Land (NZZ, 07.09.2006)
Rita Fuhrer im leeren Saal (AVU, 14.09.2006)
Dampf ablassen in Schwamendingen (TA, 18.09.2006)
Artiger Applaus und sonst nichts (ZSZ, 21.09.2006)