Gekrümmter Anflug und gestreckter Abflug (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am

Flughafen Zürich als Spielball der Politik

Der gekrümmte Nordanflug, der als Alternative zu den Ost- und den bevorstehenden Südanflügen in Prüfung steht, hat Auswirkungen auf das ganze System der An- und Abflugwege. Die politischen Rahmenbedingungen müssen noch erarbeitet werden, die technische Planung obliegt der Flugsicherung Skyguide. Der Nordanflug über Schweizer Gebiet ist frühestens ab 2006 möglich

ege. Die Unique (Flughafen Zürich AG) will im neuen Betriebsreglement an der historisch gewachsenen Nordausrichtung des Flughafens festhalten. An einem Mediengespräch hat CEO Josef Felder die Kanalisierung der Flugbewegungen und die damit verbundene Konzentration des Fluglärms auf möglichst kleine Flächen mit möglichst wenig Betroffenen als betrieblich, umweltpolitisch, raumplanerisch sowie volkswirtschaftlich und politisch sinnvoll hervorgehoben. Die Streuung der Flugbewegungen in alle Himmelsrichtungen, welcher der Gedanke der «gerechten» Lärmverteilung zugrunde liegt, missachte die topographischen Gegebenheiten und die Raumplanung, schränke den Flugbetrieb ein und schädige die Volkswirtschaft.

Der Kampf um das künftige Betriebsreglement des bedeutendsten Schweizer Flughafens hat sich durch die Flugbeschränkungen Deutschlands massgeblich verschärft. Die fehlende Luftfahrtpolitik in der Schweiz hat zu einem unerspriesslichen Schwarzpeterspiel um das Flugregime in Zürich geführt, wie in der Diskussion einmal mehr deutlich wurde.

Schadensbegrenzung

Als Alternative zu den vermehrten Ost- und den bevorstehenden Südanflügen, welche durch die Flugsperren über Süddeutschland erzwungen worden sind, hat Unique den Nordanflug auf die Hauptlandepisten über Schweizer Gebiet dem Bundesrat im April 2002 erstmals vorgeschlagen. 24 verschiedene technische Möglichkeiten wurden geprüft. Zwei Varianten erfüllen die Kriterien eines «rasch» realisierbaren Verfahrens, das auf internationalen Standards beruht und bei möglichst vielen Wetterbedingungen fliegbar ist, erfüllten zwei Varianten (NZZ 31. 5. 03). Beide Verfahren ziehen, wie auch der Ostanflug auf Piste 28, Kapazitätseinbussen nach sich; die im Normalbetrieb 36 Landungen pro Stunde werden um rund ein Drittel reduziert. Josef Felder wies ausdrücklich darauf hin, dass auch die Südanflüge Kapazitätsminderungen zur Folge haben.

Der gekrümmte Nordanflug ist aus Sicht von Unique ein Mittel zur Schadensbegrenzung. Der Beweis der technischen Machbarkeit ist noch nicht erbracht, die Zertifizierung gemäss den Vorschriften der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) ist noch offen. Beide Anflugverfahren haben Auswirkungen auf das Gesamtsystem des Flughafens. Sie erfordern Anpassungen des Luftraums sowie eine Neuorganisation der An- und Abflugrouten.

Abflüge nach Süden

Für den Anflug von Westen entlang dem Rhein sind Warteräume und Zufluggebiete im Westen des Flughafens nötig. Dadurch müssen Abflüge vermehrt nach Süden verlagert werden, wie Rainer Hiltebrand, Leiter Operations bei Unique, ausführte. Starts ab Piste 16 mit Geradeausflug zum Pfannenstiel und späterem Abdrehen nach Westen über dem Zürichsee sind nach heutigem Planungsstand unumgänglich. Wie der Abflug «16 straight» ausfallen wird, hängt von der Distanz des gekrümmten Nordanflugs zur Landesgrenze ab. Der Abstand der Flugroute zur Grenze muss mit Deutschland abgesprochen werden. Unique geht von 4,5 Kilometern aus.

Um den gekrümmten Nordanflug umzusetzen, ist politischer Wille unabdingbar. Erforderlich ist gemäss Josef Felder die Zusammenarbeit mit Deutschland zur Festlegung der Rahmenbedingungen, die Verankerung des Verfahrens im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) sowie der Wille des Kantons Zürich und des Bundes, dieses Verfahren einzuführen. Ein Zeichen aus Deutschland liegt bereits vor: Der Waldshuter Landrat Bernhard Wütz lehnt in einer Medienmitteilung den gekrümmten Nordanflug ab. Beim Anflug entlang der Grenze handle es sich um einen völkerrechtlich unzulässigen Lärmexport, der bereits im Ansatz verworfen werden müsse.

Ungewisser Zeithorizont

Die technische Planung, das Überarbeiten der An- und Abflugrouten sowie die Berechnungen zur Sicherheit obliegen der Flugsicherung Skyguide. Die Kräfte der Skyguide sind mit der Verlagerung der Warteräume Ekrit und Saffa auf Schweizer Gebiet, die durch die Verkehrsminister Stolpe und Leuenberger besiegelt wurde (NZZ 27. 6. 03), bereits stark gebunden. Vorausgesetzt, Skyguide kann die Arbeiten für die gekrümmten Anflüge parallel zur Verlagerung der Warteräume durchführen, rechnet Unique damit, den Antrag für die Änderung des Betriebsreglements Ende 2004 stellen zu können. Die Genehmigung durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) dürfte ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen. Wird die Genehmigung erteilt, ist der Rechtsweg bis vor Bundesgericht offen.

NZZ, 02.08.2003