Gnadenfrist für den Flughafen Zürich (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am

Einseitige deutsche Verordnungen treten erst Ende Oktober in Kraft

Die von Deutschland auf den 10. Juli angedrohten Einschränkungen für Anflüge auf Zürich von Norden her treten erst am 30. Oktober in Kraft. Die Verkehrsminister Deutschlands und der Schweiz, Stolpe und Leuenberger, haben diese Fristerstreckung am Mittwoch ausgehandelt. Der Zürcher Stadtpräsident Ledergerber ist enttäuscht über die Einigung, da sie auf Südanflügen basiert.

ubl.  Die Verantwortlichen des Flughafens Zürich können kurz aufatmen: Deutschland verschiebt die Einführung der einseitigen Verordnungen auf den 30. Oktober 2003. Darauf haben sich Bundesrat Moritz Leuenberger und der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe am Mittwochabend geeinigt. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr und Energie (UVEK) hat die Einigung am Donnerstag bekannt gegeben. Zuvor war die Einführung der Massnahmen auf den 10. Juli 2003 geplant, sie hätte unter anderem zur Folge gehabt, dass bis zu 30 Flugzeuge täglich nicht mehr in Zürich hätten landen können.

Nun hat die Schweiz Zeit, bis im Oktober die Voraussetzungen für Südanflüge auf den Flughafen Zürich zu schaffen. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) hat dazu diese Woche grünes Licht gegeben und die entsprechenden Gesuche des Flughafens Zürich genehmigt. Die deutschen Verordnungen sollen bis Ende Oktober 2004 umgesetzt werden. Damit nimmt das Nachbarland auf die technischen Anpassungen für Südanflüge in Etappen Rücksicht.

Technische Installationen in Etappen
Bis am 30. Oktober 2003 wird Zürich mit Hilfe UKW-Drehfunkfeuer angeflogen. Ab Anfang Mai des nächsten Jahres soll der Landekurssender funktionieren. Mit diesen Massnahmen kann ein instrumenten-gestützter Sichtanflug gewährleistet werden. Das Instrumentenlandessystem (ILS) schliesslich soll ab 31. Oktober 2004 einen reibungslosen Anflug der Piste 34 von Süden her ermöglichen.

Neues Ungemach bei Warteräumen
Stolpe und Leuenberger haben gemäss Mitteilung weiter vereinbart, die Flugsicherung im Grenzbereich gemeinsam zu organisieren. Dazu sollen in einem Konzept die erforderlichen rechtlichen Grundlagen entwickelt werden. Zugleich kündigte Deutschland aber an, dass es die Warteräume EKRIT (bei Rheinfelden) und SAFFA (bei Schaffhausen) über süddeutschem Gebiet aufheben will. Den Verantwortlichen in der Schweiz bleibt bis Februar 2005 Zeit, um neue Warteverfahren zu realisieren.

Südanflüge: Schlüssel zum Erfolg
Stolpe sagte, mit der nun erzielten Einigung sei «die normale gute partnerschaftliche Nachbarschaft» mit der Schweiz auch im Flugverkehr wieder hergestellt. Leuenberger sagte, dass die Einigung mit Deutschland durch die Haltung der Behörden zu den Südanflügen möglich geworden sei.

Neben den Zusagen aus dem UVEK und dem BAZL habe auch die Befürwortung durch den Zürcher Regierungsrat seine Wirkung gezeitigt. Dadurch sei es möglich geworden, einen klaren Zeitplan vorzulegen. Dieser habe aufgezeigt, dass der Flughafen Zürich erst im Herbst 2004 in der Lage sein werde, die Landeausfälle durch die deutschen Verordnungen dank dem ILS teilweise aus Süden aufzufangen.

Enttäuschter Zürcher Stadtpräsident
Während Verkehrsminister Leuenberger die Südanflüge als Schlüssel zum Erfolg lobt, zeigt sich der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber enttäuscht. Für ihn ist das Weiterbestehen der Südanflüge ein grosses Problem. «Wer meint, Südanflüge seien die Lösung, irrt. Die Zürcher Bevölkerung wird dies nie akzeptieren», sagte Ledergerber gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.

Der Zürcher Volkswirtschaftsdirektor Ruedi Jeker betonte an einer Medienkonferenz, die Einführung der Südanflüge löse massive Entschädigungen aus. Jeker sprach von gegen einer Milliarde Franken. Er sagte aber auch, sie seien die einzige Möglichkeit, einen geordneten Flughafenbetrieb aufrecht zu erhalten. Andernfalls würde die Attraktivität von Zürich-Kloten drastisch leiden.

Deutschland hat die Anflugbeschränkungen über süddeutschem Gebiet verordnet, nachdem die Eidgenössischen Räte den Staatsvertrag mit Deutschland abgelehnt hatten. In der Folge hat die Schweiz bei der EU in Brüssel gegen die einseitigen Verordnungen Beschwerde eingereicht. Gemäss UVEK werde dieses Rechtsverfahren durch die jetzt getroffene Einigung nicht tangiert.

NZZ, 26.06.2003