Milliarden-Abschreibung wegen Südanflügen (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Jüngste Studie beziffert Wertverlust auf 15 Milliarden

Die Flughafendiskussion hat eine neue Zahl: 15 Milliarden. So hoch soll in Franken die Wertminderung der Liegenschaften in den 38 Zürcher Gemeinden sein, die vom neuen Flugregime am stärksten betroffen sind. Geschätzt und gerechnet hat ein Raumplanungsbüro, den Auftrag dazu gegeben haben Fluglärmgegner aus dem Süden.

bto. Seit dem 30. Oktober des vergangenen Jahres steuern Flugzeuge den Flughafen Zürich vermehrt abseits gewohnter Routen und über dicht besiedeltes Gebiet an. Regelmässig treten seither Fachleute mit Schätzungen zu möglichen Wertverlusten an betroffenen Liegenschaften an die Öffentlichkeit. Am Mittwoch hat die bisher kaum bekannte «Stiftung gegen Fluglärm» mit Sitz in Zumikon die Medien über eine Studie orientiert, die sie beim St. Galler Raumplanungs-Unternehmen Strittmatter Partner in Auftrag gegeben hatte. Stiftungsratspräsident Jacob Zgraggen bezeichnete die Studie als erste systematische Untersuchung der volkswirtschaftlichen Schäden des neuen Flugregimes.

Verlust von durchschnittlich 10 Prozent

Die Planer haben für 38 Gemeinden im Süden und im Osten des Flughafens Flächen von Wohn- und Mischzonen, Baumassenziffern und Referenzpreise verrechnet. Ihr Resultat: Allein die Wohnliegenschaften in den ausgewählten Gemeinden haben einen Gesamtwert von 140 Milliarden Franken. Anhand von Lärmwertkarten haben die Planer dann die Minderung des Wertes der Immobilien geschätzt. Projektleiter Hanspeter Woodtli räumte vor den Medien ein, dass man dabei durchaus über den Daumen gepeilt habe. Bei den Resultaten handle es sich also zu einem rechten Teil um Schätzungen. Diese seien allerdings wirklichkeitsnah, habe man doch auch Liegenschaftenexperten zu Rate gezogen. Auf diesem Weg sei man zu Wertminderungen zwischen 5 und 30 Prozent gekommen. Den Verlust nahmen die Planer als umso grösser an, je weniger eine Liegenschaft vorher Lärm ausgesetzt war. Die Summe aller Annahmen führte zum Resultat einer durchschnittlichen Entwertung der Häuser von 10,8 Prozent. In Franken macht das den genannten Verlust von 15 Milliarden.

100 Millionen Franken Steuerausfälle

Die politische Würdigung der Studienresultate übernahm Stiftungsratspräsident Zgraggen. Die Studie mache klar, dass der Schweizer Volkswirtschaft gewaltiger Schaden entstehe, wenn es bei den vermehrten Süd- und Ostanflügen bleibe. Der Verlust von 15 Milliarden Franken sei die grösste Vernichtung von Volksvermögen in der Geschichte des Landes. Geschädigt werde schliesslich auch der Staat, der wegen des Wertverlustes langfristig Ausfälle bei den Steuereinnahmen in der Höhe von rund 100 Millionen Franken pro Jahr hinnehmen müsse. Konkrete Forderungen leitet die Stiftung aus den Erkenntnissen nicht ab. Ziel sei es gewesen, die Grössenordnung des Wertverlustes zu beziffern und damit einen Beitrag zur Diskussion der Fluglärmfrage zu leisten.

Das Gewicht, das den gestern vorgestellten Zahlen beigemessen wird, ist weitgehend eine Frage des politischen Standpunktes. Zu bedenken ist etwa, dass in der Studie Veränderungen der Liegenschaftenpreise allein auf den Fluglärm zurückgeführt werden. Allgemeine wirtschaftliche Schwankungen dürften indessen ebenfalls stark auf die Liegenschaftenpreise wirken. Der Präsident des Schweizerischen Verbands der Immobilien-Schätzer kritisierte in dieser Zeitung vor Jahresfrist damals veröffentlichte Zahlen scharf. Die Frage der Wertminderung werde aus emotionalen Gründen überinterpretiert wie einst das Waldsterben. Und der Chef Liegenschaftenbewertung des kantonalen Steueramtes erklärte im Juni dieses Jahres, es gebe keine Anzeichen für eine Baisse im Liegenschaftenmarkt in den Südanfluggebieten. Liegenschaften würden nach wie vor zu guten Preisen gehandelt.

NZZ, 21.10.2004