«Für die Swiss ist das deprimierend» (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Regierungsrätin Carmen Walker Späh will den Zürcher Fluglärmindex anpassen. Anders als heute sollen darin Investitionen in leisere Flugzeuge berücksichtigt werden.Das passt nicht allen Parteien.

von Heinz Zürcher

Es ist ein Dilemma. Einerseits will die kantonale Politik, dass das Bevölkerungswachstum in den Städten und in der Flughafenregion stattfindet. Andererseits will sie die Menschen vor Fluglärm und Schadstoffen schützen. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, verdeutlicht jeweils die jährliche Auswertung des Zürcher Fluglärmindexes (ZFI). Der Wert zeigt, wie viele Personen übermässig durch Fluglärm gestört werden. Sind es mehr als 47 000, müssen gemäss Flughafengesetz Massnahmen ergriffen werden.
Seit der Einführung des ZFI 2007 ist der Richtwert nur im ersten Jahr und 2009 unterboten worden. Seither lag er stets deutlich darüber. 2016 erreichte er mit 64 110 belärmten Personen eine neue Höchstmarke.
So kann es nicht weitergehen, sind sich die Politiker einig. Die Frage ist bloss: wie weiter? Für CVP, FDP und SVP gibt es nur einen Weg: die Anpassung des ZFI. Ein entsprechendes Postulat wurde gestern im Kantonsrat behandelt. Die Regierung begrüsst das Anliegen.

«Index mit Geburtsfehler»

«Immer mehr Menschen wollen in die Flughafenregion ziehen», sagte Christian Lucek (SVP, Dänikon). «Dabei werden sie automatisch zu Fluglärmopfern, obschon sich die meisten gar nicht an den Emissionen stören.» Lucek findet den ZFI grundsätzlich geeignet, um das Fluglärm-Monitoring zu betreiben. «Aber er hat einen Geburtsfehler und entspricht in der heutigen Form nicht den Gegebenheiten der Raumplanung.» Stossend sei zudem, dass Anstrengungen zur Minderung des Fluglärms an der Quelle nicht belohnt würden.
Dieser Ansicht ist auch Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP). «Für die Swiss ist das deprimierend. Sie investiert Milliarden in eine neue, leisere und umweltfreundlichere Flotte. Doch im ZFI sieht man das nicht.» Sie wolle klar festhalten, dass es nicht darum gehe, den Index abzuschaffen, sagte Walker Späh. «Das Instrument soll weiterhin die Betroffenheit aufzeigen, es soll aber eben auch ein Anreizsystem sein.»

Flüge am Abend als Grund

Walker Spähs Argumente vermochten SP, Grüne, AL, GLP und BDP nicht zu überzeugen. Sie wollen am aktuellen ZFI festhalten. «Er ist ein aussagekräftiger Indikator, der offen deklariert, wie viele Menschen von Lärm belästigt sind», sagte Robert Brunner (Grüne, Steinmaur). Dass es jedes Jahr mehr seien, liege hauptsächlich an den Flugbewegungen am Abend – und nicht am Bevölkerungswachstum.
Das zeige auch der letzte Flughafenbericht, ergänzte Thomas Forrer (Grüne, Erlenbach). Dort stehe, dass sich vor allem die Starts und Landungen für den Verspätungsabbau zwischen 23 und 23.30 Uhr massiv auf den ZFI auswirken würden.
Die Spielregeln zu ändern, wenn der Lärmindex überschritten werde, sei der falsche Weg, sagte Laura Huonker (AL, Zürich). «Dann müssen wir eben den kantonalen Richtplan anpassen – nicht den ZFI.»
Auch Ruedi Lais (SP, Wallisellen) plädierte dafür, nebst dem Luftverkehr die bauliche Entwicklung in der Flughafengegend zu hinterfragen. «Verdichtung ist schon die richtige Strate-gie. Doch die Bevölkerung soll trotzdem gesund leben dürfen.»
Laut Barbara Schaffner (GLP, Otelfingen) gibt es zwei Hebel, um das Problem zu lösen: «Mit dem einen senkt man die Bevölkerungszahl in der Flughafengegend, mit dem anderen den Fluglärm. Was aber die Postulanten jetzt wollen, ist eine dritte Möglichkeit. Sie möchten nun einfach die Messlatte verschieben.»

«Nicht im stillen Kämmerlein»

CVP, FDP, SVP, EDU und EVP setzten sich schliesslich mit 97 Jagegen 70 Nein-Stimmen durch. Fünf bürgerliche Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme. Ursula Moor aus dem fluglärmgeplagten Höri war als Einzige der SVP gegen die Überweisung des Postulats.
Der Regierungsrat hat nun zwei Jahre Zeit, um in einem Bericht aufzuzeigen, wie er den ZFI anpassen will. Carmen Walker Späh versprach: «Wir werden das nicht im stillen Kämmerlein tun, sondern Experten, Betroffene und Gemeinden einbeziehen.»

ZSZ, 18.09.2018, Seite 15