Euro-Airport straft Spätflieger ab – Fluglärm-Gegner schlafen trotzdem nicht ruhiger (bz)

Publiziert von VFSNinfo am
Fluggesellschaften, die in Basel-Mühlhausen während Randstunden starten und landen, werden stärker zur Kasse gebeten. Der Flughafen-Verwaltungsrat verspricht sich weniger Lärm in der sensiblen Zeit – doch die Schutzverbände sind skeptisch.

Bald sollte es rund um den Euro-Airport etwas ruhiger werden, zumindest am Abend. Der binationale Flughafen hat seine Gebührenordnung geändert. Seit April sind Starts und Landungen in den beiden Stunden vor Mitternacht empfindlich teurer. Für die Fluglärmgegner aber steht schon jetzt fest: Die ganze Übung ist für die Katz.

Die erhöhten Abgaben sollen die Airlines dazu bewegen, ihre Flüge, wenn immer möglich, nicht in den sensiblen Nachtstunden durchzuführen. Ziel ist eine Lenkungswirkung: Wer zu erwünschten Zeiten fliegt, erhält Rabatt, wer zu «Unzeiten» fliegt, wird bestraft. Ob der erhoffte Effekt auch tatsächlich eintreten wird, darüber herrscht Uneinigkeit – unter anderem auch deshalb, weil ausserhalb von Flughafen und Airlines nicht bekannt ist, wie hoch die Mehrausgaben konkret ausfallen. Sprich: Ob die Aufschläge auch wirklich weh tun.

Beschliessen kann die Abgaben der Flughafenverwaltungsrat. Er teilte lediglich das Ausmass der Erhöhungen per 1. April mit. Die Lärmtaxe zwischen 22 und 23 Uhr werde um 25 Prozent angehoben, jene zwischen 23 und 24 Uhr um 50 Prozent. Frankenbeträge lieferte der Flughafen aber keine.

Jetzt gewährt der EAP erstmals Einblick in seine Preiskalkulation. Für die «Schweiz am Wochenende» berechnete der Airport die Abgaben für vier beispielhafte Flüge in allen drei Gebühren-Zeitzonen (siehe Grafik). Berücksichtigt wurden je zwei Flugzeugmodelle von Boeing und Airbus in Passagier- und Frachtausführung.

Die Beispiele zeigen: Die Stunde vor Mitternacht schenkt am meisten ein, vor allem bei Frachtflugzeugen. So muss ein Airbus 300 mit 40 Tonnen Fracht einen Aufschlag von über 50 Prozent gegenüber dem normalen Tagestarif hinnehmen. Eine Rotation, also ein Hin- und ein Rückflug, kostet zwischen 23 und 24 Uhr neu 2239 Franken – bis 22 Uhr wären lediglich 1462 Franken fällig.

Längere Nachtruhe verlangt

Der Verwaltungsrat reagiert mit den verteuerten Randstunden auf die wachsende Kritik von Seiten Politik und Fluglärmgegner. Im Januar verabschiedeten die fünf Schutzverbände aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland erstmals eine gemeinsame Charta. Zentale Forderung: Verlängerung der Nachtflugsperre um zwei Stunden von 23 bis 6 Uhr, analog zur Regelung am Flughafen Zürich. Eine Resolution des Allschwiler Einwohnerrats verlangte gar ein Verbot ab 22 Uhr. Heute darf am Basler Airport von 24 bis 5 Uhr nicht geflogen werden. Zwischen 5 und 6 Uhr sind nur Landungen erlaubt.

Den Flughafen träfe die Ausweitung der Nachtflugsperre ins Mark. Er sieht einen bedeutenden Geschäftsbereich von der Abwanderung gefährdet. Die meisten Flugzeuge, die nach 22 Uhr in Basel-Mühlhausen abheben und landen, sind Frachtflugzeuge – etwa die «Postflieger» von DHL oder FedEx. Zudem hat sich Basel zu einem Logistikzentrum für Medikamente gemausert.

Nachvollziehbar, dass die Flughafeneigentümer lieber auf Anreize setzen statt auf Verbote. Der EAP rechnet mit einem Nebeneffekt der «Strafgebühren». Dutzende von Faktoren beeinflussen die Lärmtaxen. Einer der wichtigsten ist die Lautstärke der Triebwerke. So könnten die Cargo-Carrier dazu bewogen werden, leise und somit günstigere Jets einzusetzen, wenn sie in Randzeiten starten und landen wollen.

Für den EAP steht fest: Die Lenkungsabgabe verfehlt ihre Ziele nicht. Sprecherin Vivienne Gaskell schreibt: «Wir versprechen uns, dass immer mehr Airlines ausserhalb der Randzeiten fliegen werden, das heisst, von Montag bis Samstag, 6 bis 22 Uhr und an Sonntagen und gemeinsamen Feiertagen nur zwischen 8 und 22 Uhr.»

Madeleine Göschke, Präsidentin des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Basel-Mülhausen, spricht hingegen von einem «Déjà-vu-Phänomen». Bereits zwischen 2010 und 2013 habe der EAP die Taxen für Nachtflüge schrittweise um 50 Prozent erhöht. Leiser sei es nicht geworden, der Lärm habe sogar noch zugenommen. «Folglich können wir von der jetzigen Taxerhöhung wenig erwarten.»

Ueli Keller vom «Forum Flughafen – nur mit der Region», schreibt von Massnahmen vor allem «kommunikativ-kosmetischer Natur». Die Gesellschaften könnten mit dem geringen Aufschlag leben, ist der Allschwiler Grünen-Einwohnerrat überzeugt. «Die Wirkung ist begrenzt.»

Strafgebühr zeigt Wirkung

Raymond Cron, Vizepräsident des EAP-Verwaltungsrats, entgegnet, die Gebühren würden sich eben doch auf die Flugplangestaltung auswirken: «So sind zum Beispiel die geplanten Flüge zwischen 23 und 24 Uhr im Sommerflugplan 2018 gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent zurückgegangen.» Man behalte sich zudem weitere Aufschläge vor.

Basler Zeitung, 24.06.2018