Kommentar: Das falsche Instrument (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
ark. Das schnelle Ende der Mediation hat allenthalben nur mässiges Bedauern ausgelöst, eher schien es, als seien gewisse Teilnehmer erleichtert über das Scheitern des Prozesses. Dass man sich in einer siebenstündigen Sitzung nicht einmal auf die Zusammensetzung eines Vorbereitungsteams hat einigen können, lässt vermuten, dass das Vorhaben spätestens bei der Diskussion von inhaltlichen Fragen auf Grund gelaufen wäre. Deshalb ist ein Ende mit wenig Schrecken besser als ein Scherbenhaufen nach mehrjährigen zermürbenden Diskussionen und Tausenden von teilweise in Fronarbeit geleisteten Sitzungsstunden aller Beteiligten.

Das Instrument, dem auch an dieser Stelle Chancen eingeräumt wurden, war anscheinend das falsche, um im Fluglärmkonflikt eine Lösung herbeizuführen. Dazu haben verschiedene Faktoren beigetragen. Erstens waren die Auftraggeber selber mit Ausnahme des Bundes nur mässig überzeugt von der Tauglichkeit der Mediation. Zweitens ist der Anspruch auf Konsens - eine der Grundregeln in Mediationsverfahren - zu hoch gegriffen. In einer derart zerstrittenen Situation einen einstimmigen Entscheid herbeizuführen, ist fast so unmöglich, wie es bei einer Volksabstimmung ist. Drittens fehlt der Mediation die demokratische Legitimation, deshalb wären am Verhandlungstisch mühsam errungene Kompromisse durch politische Entscheide konkurrenziert oder umgekrempelt worden.

Trotzdem wäre es falsch, die gesamte Übung als nutzlos abzubuchen. Aus den Erfahrungen lässt sich lernen. Am Sitzungstisch in Glattbrugg herrschte Einigkeit, dass man am sogenannten Runden Tisch im Gespräch bleiben will. Das Konsultationsorgan der Regierung ist im Gegensatz zur Mediation gesetzlich legitimiert. In seinem ersten Einsatz vor wenigen Jahren hatte der Runde Tisch eine (Verteil-)Lösung erarbeitet. Das Resultat wurde aber von der Regierung nie übernommen, unter anderem deshalb, weil sich die Institutionen im ferneren Süden des Flughafens nicht angemessen vertreten fühlten. Wenn man den Runden Tisch jetzt reaktiviert, wird man deshalb darauf achten müssen, die gleichen Fehler nicht noch einmal zu machen und auch den Bürgerinitiativen, die unterdessen stark an Bedeutung gewonnen haben, einige Stühle anzubieten. Erkannt scheint auch, dass die deutschen Nachbarn angesichts ihres Einflusses mit mehr Sensibilität behandelt werden müssen.

Mit dem abrupten Ende der Mediation ist die Politik wieder am Zug. Politische Untätigkeit kann nicht länger mit der Rücksichtnahme auf das Streitschlichtungsverfahren begründet werden. Der Ausarbeitung einer nationalen Luftverkehrspolitik und einem neuen Anlauf, mit Berlin politisch über die Anflugbeschränkungen zu sprechen, steht jetzt zumindest von eidgenössischer Seite her nichts mehr im Weg. Auch auf kantonaler Ebene entsteht Handlungsbedarf. Das Raumplanungsprojekt Relief wird relativ schnell konkretisiert werden müssen. Unter dem Damoklesschwert der kürzlich eingereichten Plafonierungsinitiative muss der Regierungsrat Farbe bekennen, in welche Richtung sich der Flughafen und das An- und Abflugregime in den nächsten Jahren entwickeln sollen.

Man darf sich aber keine Illusionen machen. Angesichts der Zerstrittenheit der verschiedenen Institutionen rund um den Flughafen werden weder der auferstandene Runde Tisch noch die Politik Lösungen präsentieren können, welche abschliessend von allen Seiten akzeptiert werden. Das letzte Wort werden wohl die Richter haben.

NZZ, 17.07.2004