Swiss-CEO lobbyiert in Berlin für neue Flugrouten (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Umstrittenes Ostkonzept

Am Flughafen Zürich sind wesentlich mehr Flüge verspätet als in München oder Wien. Für den Swiss-CEO Thomas Klühr ist das inakzeptabel. Und er kündigte an, bald in Berlin vorstellig zu werden.

von Andreas Schürer

Der neue Swiss-CEO Thomas Klühr hat sich am Donnerstag an seinem ersten Auftritt in Zürich in Bezug auf heikle politische Themen zurückhaltend gezeigt. Sein Vorgänger Harry Hohmeister scheute sich jeweils nicht, Standortnachteile am Flughafen Zürich aufgrund politischer Restriktionen zu beklagen und Massnahmen wie die Einführung des Südstarts geradeaus in Spitzenzeiten zu verlangen. Klühr meinte an der Jahresmedienkonferenz in Kloten, es wäre anmassend von ihm, nach nur 47 Tagen im Amt bereits mit politischen Forderungen aufzuwarten. In der Analyse ist er sich indes mit Hohmeister einig. Zürich sei ein qualitativ guter Flughafen – mit Ausnahme der Pünktlichkeit. In diesem Bereich könne Zürich nicht die Premium-Qualität bieten, die den Bahnverkehr auszeichne: «Schweizer Präzision haben wir am Flughafen Zürich nicht.» Hier hätten fast 25 Prozent aller Flüge mehr als 15 Minuten Verspätung. Für Klühr ist das inakzeptabel, wie er sagte. In München und Wien seien die Werte um je etwa zehn Prozentpunkte besser. Für ihn sei die Pünktlichkeit ein Schwerpunktthema.

Auf Nachfrage meinte Klühr, er habe die Problematik an Bundesrätin Doris Leuthard, den Flughafen sowie die Flugsicherung Skyguide adressiert. Zur Lösung wolle er noch nicht auf den Südstart geradeaus fokussieren, auch wenn klar sei, dass vor allem in Spitzenzeiten Handlungsbedarf bestehe: «Man sollte nicht zu schnell nur auf eine Lösung setzen.» Entscheidend sei, dass alle Involvierten nochmals eine Auslegeordnung machten. Dabei sei auch die Politik gefordert. Dass der Bundesrat den Einfluss auf die Landesflughäfen verstärken will, wie er das im neuen luftfahrtpolitischen Bericht postuliert, sei ein Schritt in die richtige Richtung.

Hoch oben auf der Agenda des Swiss-CEO steht auch der Konflikt mit Deutschland. Der Staatsvertrag ist in Berlin blockiert, gegenwärtig wehrt sich Südbaden geschlossen gegen das neue Betriebsreglement, das eine Entflechtung des Ostkonzepts vorsieht – Anflüge aus Osten und Starts nach Norden sollen separiert werden. Ein Teil der Anflüge soll neu deutsches Territorium überfliegen, allerdings nie tiefer als 3600 Meter über Meer. Gestützt auf ein Gutachten, erinnern die Landkreise Konstanz, Waldshut und Schwarzwald-Baar Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt an seine Aussage, er stimme keinem Konzept zu, das Südbaden eine Mehrbelastung bringe. Klühr fehlt, wie er auf Nachfrage sagte, das Verständnis für die Kritik aus Südbaden. Die Verbesserung der Sicherheit sei eindeutig, die Belastung marginal, wie das Gutachten zeige; tatsächlich würden die meisten Betroffenen in einem Bereich von 20 bis 25 Dezibel belastet, manche bis maximal 35 Dezibel. Klühr meinte: «Ich werde mich in Berlin einbringen, mit Unterstützung des Konzernvorstands, um mich in dieser Sache für die Interessen der Swiss einzusetzen.»

Entspannung erhofft sich Klühr in der Lärmdiskussion durch die Flottenerneuerung, in welche die Swiss rund 5 Milliarden Franken investiert. Zum einen werden auf der Langstrecke insgesamt neun Boeing 777-300ER integriert. Zum anderen fällt nun auch, nach einiger Verzögerung, die Integration des neuen Kurz- und Mittelstreckenflugzeugs C-Series ins laufende Jahr: 30 Bombardier-Flugzeuge sollen die Avro RJ 100 ersetzen. Klühr schwärmte vom neuen «Arbeitspferd», das für das menschliche Ohr 50 Prozent leiser sei als die heute eingesetzten Maschinen und deutlich weniger Emissionen verursache. Und er bewies, dass er ein gewiefter Kommunikator ist. Die Swiss betonte stets, auf keinen Fall «first mover» sein zu wollen. Nun führt sie wegen der Verzögerung die C-Series-Flugzeuge doch als Erste ein. Klühr deutete die Konsequenz geschickt um: «Wir freuen uns im dritten Quartal auf eine Weltpremiere – eine solche erlebt man nicht alle Tage.»

NZZ, 17.03.2016