«Das zeugt von einer Arroganz sondergleichen» (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Für die gegenwärtige WEF-Nutzung des Flugplatzes in Dübendorf schaffte der Bund das Vetorecht der Gemeinde ab. Diese fürchtet nun um den Innovationspark und erwägt rechtliche Schritte.

Die Schengen-Aussengrenze verläuft zurzeit durch Dübendorf. Diese Ausnahmesituation verdankt die 25\'000-Seelen-Gemeinde dem World Economic Forum (WEF). Während einer Woche dient der Militärflugplatz als Landeplatz luxuriöser Privatjets. Zum ersten Mal auch mit improvisierter Einreiseabfertigung: Eine Baracke wurde kurzfristig zur Zollverwaltung mit Personenkontrolle umfunktioniert.

Ein Besuch vor Ort machte deutlich: Das Verfahren funktioniert tadellos, obwohl es gemäss Zollverwaltung «kurzfristig aus dem Boden gestampft» wurde. Entsprechend selbstbewusst äusserten sich die Verantwortlichen des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Auch dann noch, als die Sprache auf die Kritiker kam. Diese befürchten eine schleichende Umnutzung von einem militärischen in einen zivilen Flughafen. «Wir bestimmen, was hier passiert und was nicht», sagt Jürg Nussbaum, Sprecher der Schweizer Luftwaffe.

Vetorecht abgeschafft

Er verweist auf Artikel 36 des Bundesgesetzes für Luftfahrt. Der Paragraf besagt, dass «nähere Vorschriften über Bau und Betrieb von Flugplätzen» allein vom Bundesrat erlassen werden. Damit war das Thema abgehakt, weitere Fragen waren nicht erwünscht.

Früher galt das alleinige Bestimmungsrecht des Bundes nur beschränkt: Bis zum letzten Jahr hatten die Anrainergemeinden Dübendorf, Volketswil und Wangen-Brüttisellen ein Mitsprache- und Vetorecht, was zivile Flüge auf dem Flughafen betrifft. Erst im vergangenen September beschloss der Bundesrat im Alleingang über die Umnutzung des Flugfelds. «Das Vorgehen des Bundes zeugt von einer Arroganz sondergleichen», sagt Martin Bäumle, Vizestadtpräsident in Dübendorf. Uvek-Vorsteherin Doris Leuthard verkündete damals, dass die Piste vor allem für Geschäftsfliegerei, Leichtaviatik und Werkflüge genutzt werden soll.

Bäumle: Ziviler Flughafen ist «rechtswidrig»

Gemäss Bäumle wurde ausgerechnet dieser fundamentale Entscheid für einen zivilen Flugbetrieb ohne Mitsprache der Gemeinden und gegen den ausdrücklichen Willen des Kantons Zürich, der Region und der Gemeinden gefällt. Zwar habe die Dübendorfer Stadtregierung vor Jahren das reine Parkieren von Privatjets während des WEF genehmigt. Eine Passagierabwicklung sei aber nie in ihrem Interesse gewesen. Gemäss Bäumle prüft Dübendorf ein rechtliches Vorgehen gegen den Bundesentscheid. Die Umwandlung in einen zivilen Flughafen sei «rechtswidrig».

Die Stadtregierung fürchtet letztlich um ihr Prestigeprojekt: den geplanten Innovationspark. Eine gemischte Nutzung von Zivilfliegerei und Wissenschaft hält Bäumle für nicht kompatibel. Seiner Ansicht nach hat die Bevölkerung kein Verständnis für einen zivilen Flugplatz. Einsprachen seien programmiert. «Ein ziviler Flughafen gefährdet den Innovationspark», sagt Bäumle. Ursprünglich sei eine Freihaltung der übrigen zwei Drittel als Naherholungsgebiet vorgesehen gewesen.

Bazl: «Davon profitiert die gesamte Region»

Beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) verweist man auf den letztjährigen Bundesbeschluss. «Der Flughafen gehört dem Bund», sagt Bazl-Sprecher Urs Holderegger. Es sei zwar korrekt, dass die Anrainergemeinden nicht in den Entscheid einbezogen worden seien. Doch letztlich sei die Luftfahrt klar im Bundesrecht verankert.

Dass die zivile Fliegerei nicht mit dem Innovationspark kompatibel sei, glaubt Holderegger nicht. «Im Gegenteil: Das ist eine einmalige Chance.» Er bezeichnet die Aviatik als ein «aufstrebendes Berufsfeld». «Damit können zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Davon profitiert die gesamte Region.» Was die Stimmung in der Bevölkerung betrifft, stehe das Lärmargument noch zu fest im Vordergrund. «Alle wollen fliegen. Eine gewisse Lärmemission muss deshalb in Kauf genommen werden», sagt Holderegger.

An der Umnutzung des Dübendorfer Flugfelds gibt es gemäss Bazl nichts zu rütteln. «Im Moment haben Bevölkerung und Gemeinde kein Mitspracherecht. Für eine Volksabstimmung gibt es keine rechtliche Grundlage», sagt Holderegger. Als einzige Möglichkeit gebe es das Einspracherecht, das Teil des Mitwirkungsverfahrens sei.

Mögliche Kapazitätserhöhung

Beim VBS zeigt man sich derweil begeistert von der Personenabwicklung in Dübendorf: «Wir können uns vorstellen, die Kapazität im nächsten Jahr zu erhöhen – natürlich nur im Rahmen des WEF», sagt Hans-Peter Erni, Stabschef Einsatz Luftwaffe. Bäumle glaubt nicht, dass es dabei bleibt: «Mit dieser Übung öffnet das Militär Tür und Tor für die zivile Fliegerei.» (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Tages-Anzeiger, 23.01.2015