Teurer Klimaschutz für die Luftfahrt (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Ab 2012 müssen Fluggesellschaften für ihren CO2-Ausstoss in der EU Zertifikate kaufen. Die hiesige Luftfahrtindustrie befürchtet, dass die Schweiz die EU-Regelungen übernehmen könnte.

Von David Vonplon

Die EU wird ab dem 1. Januar 2012 alle Fluggesellschaften für ihre Abgase zur Kasse bitten. Daran ändern die von China, den USA, Russland und Indien angedrohten Vergeltungsmassnahmen genauso wenig wie die (unterdessen gescheiterten) Klagen von US-Fluggesellschaften vor dem Europäischen Gerichtshof. Künftig werden die Gesellschaften für ihren CO2-Ausstoss Zertifikate erwerben müssen; und das für jeden Flug, dessen Lande- oder Startort innerhalb des EU-Raums liegt. Zu Beginn wird die EU dabei 85 Prozent der Verschmutzungsrechte kostenlos abgeben. Fluggesellschaften, die mehr Abgase ausstossen, bleibt fortan aber nichts anderes übrig, als zusätzliche Zertifikate am Markt hinzuzukaufen oder ihren Emissionsbedarf durch Klimaschutzmassnahmen zu senken.

15 Millionen Kosten für die Swiss

Für die Luftverkehrsbranche hat die Regelung vorderhand beträchtliche Mehrkosten zur Folge: Laut Schätzungen des internationalen Luftfahrtverbands Iata schlägt der Emissionshandel im nächsten Jahr für die Airlines mit 900 Millionen Franken zu Buche. Die Swiss rechnet dabei laut Sprecherin Myriam Ziesack mit einem Mehraufwand in der Höhe von 10 bis 15 Millionen Franken im Jahr. Dies dürften mittelfristig auch die Kunden zu spüren bekommen: «Tatsache ist, dass mit dieser Regelung Kosten anfallen, die wir nicht selber tragen können», sagt Ziesack. Zum heutigen Zeitpunkt stehe jedoch noch nicht fest, ob und wann die Klimaabgaben auf den Fluggast überwälzt würden.

Die EU rechnet damit, dass sich die Tickets je nach Flug um bis zu 15 Franken verteuern – andere, neutrale Marktbeobachter gehen von höheren Aufschlägen aus. Laut Paul Kurrus, Präsident von Aerosuisse, dem Dachverband der Schweizer Luftfahrt, dürfte die Einführung des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) die einheimische Industrie im Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag kosten.

Kurrus äussert Vorbehalte gegenüber der Ausweitung des Emissionshandels auf die Luftfahrt in der EU: Zum einen würden der Industrie damit finanzielle Mittel für Investitionen zur Begrenzung von CO2-Emissionen – etwa durch den Erwerb von umweltfreundlicheren Flugzeugen – entzogen. Zum anderen bestehen laut Kurrus effizientere Massnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstosses, so etwa die Schaffung direkter Flugwege: «Eine Aufhebung der Flugbeschränkung über Süddeutschland zum Beispiel allein hätte jährliche CO2Einsparungen von über 9200 Tonnen zur Folge.» Der erfahrene Linienpilot warnt jedoch vor einem anderen, für die Schweizer Luftfahrtbranche deutlich ungünstigeren Szenario: dem Anschluss der Schweiz an das EU-Emissionssystem. Ein solches Abkommen hätte zur Folge, dass die EU-Regelung für Flüge innerhalb der Schweiz sowie auch für Interkontinentalflüge mit dem Start- oder Zielort Schweiz gelten würde. «In diesem Fall befürchten wir Zusatzkosten in dreistelliger Millionenhöhe», sagt Kurrus.

Die Schweiz als Zielscheibe

Dabei könnte die Schweiz auch in den Handelskrieg verwickelt werden, der sich derzeit zwischen der EU und den Drittstaaten USA, Russland, Indien und China anbahnt. China etwa droht damit, Milliardenaufträge beim deutsch-französischen Flugzeugbauer Airbus zu sistieren, wenn die EU die Umweltabgabe nicht fallen lasse (TA vom 23. 12.). Russland und Indien wollen den EU-Fluggesellschaften derweil die Überflugrechte streichen. «Wir vermuten, dass auch die Schweiz Zielscheibe solcher Retorsionsmassnahmen werden könnte», sagt Kurrus. Deshalb lehne Aerosuisse eine Gleichstellung der Schweiz mit einem EU-Mitgliedsstaat bei Flügen ausserhalb des EU-Raums entschieden ab.

Das Szenario ist nicht abwegig: Der Bund führt seit März 2011 Gespräche über die Verknüpfung seines Emissionshandelssystems mit der EU. Dabei prüft er auch, den Luftverkehr in ein allfälliges Abkommen einzubinden. Die nächste Verhandlungsrunde mit der EU ist dabei auf den Frühling 2012 terminiert. Gelingt der Durchbruch, müsste das CO2-Gesetz erneut revidiert und somit auch vom Parlament gutgeheissen werden.

Die Schweiz steht klar hinter der Ausweitung des Emissionshandels auf die Luftfahrt: «Der Bundesrat ist der Ansicht, dass auch die Luftfahrt ihren Beitrag an die Bekämpfung des Klimawandels leisten soll», sagt Daniel Göring vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Dafür sei auch ein regionales Emissionshandelssystem auf EU-Ebene geeignet. Man würde allerdings eine weltweite Lösung bevorzugen, die alle Fluggesellschaften und Regionen einbeziehe.

Tages-Anzeiger, 29.12.2011, Seite 35