«In Zürich gibts ab 2015 kein Wachstum mehr» (SoZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Harry Hohmeister, der Chef der Swiss, über bessere Infrastrukturen am Flughafen Zürich, Verluste im Europaverkehr und die Prognosen

Von Kurt Hofmann

Politische Unruhen, Umweltkatastrophen, hohe Treibstoffpreise: Das erste Halbjahr 2011 war hart für die weltweite Luftverkehrsindustrie. Beim Jahrestreffen des Branchenverbands Iata diese Woche in Singapur leckten sich die Airline-Kapitäne die Wunden. Die SonntagsZeitung sprach exklusiv mit Swiss-Chef Harry Hohmeister.

Wie kam die Swiss durch die Turbulenzen im 1. Halbjahr?
2011 ist ein schwieriges Jahr. Die Treibstoffpreise sind erneut markant gestiegen, der Schweizer Franken ist anhaltend stark, und das Erdbeben in Japan sowie die Unruhen in Nordafrika und im Mittleren Osten belasten das Ergebnis. Trotzdem ist es uns gelungen, im ersten Quartal 2011 einen Gewinn von 16 Millionen Franken zu erzielen, aber wir sind nicht dort, wo wir hinwollen.

Müssen Sie Ihre Prognosen nach unten korrigieren?
Ich bleibe für 2011 zwar zuversichtlich, die aktuelle Einschätzung ist aber pessimistischer als vergangenen Dezember. Ich gehe davon aus, dass das zweite Halbjahr ebenso schwierig wird wie das erste.

Obwohl Ihnen nun die verkehrsstarken Sommermonate bevorstehen?
Die Voraussetzungen für den Rest des Jahres sind nicht so gut wie im Vorjahr. So gibt es etwa den Nachholbedarf, den wir nach der Finanzkrise verzeichneten, nicht mehr. Erreichen wir dasselbe operative Ergebnis wie 2010, nämlich 368 Millionen Franken, sind wir sehr zufrieden.

Wie wirkt sich der starke Franken aus?
Er belastet uns doppelt. Wenn ich vor zwei Jahren 100 Euro eingenommen habe, hat man 150 Franken verdient, heute sind es nur noch etwas über 120 Franken. Dem kann auch mit Währungshedging nur beschränkt entgegengewirkt werden. Demgegenüber profitieren ausländische Konkurrenten vom starken Franken und können dank dem Wechselkursvorteil günstige Tickets auf den Schweizer Markt bringen.

Wie sind Sie mit dem Flughafen Zürich zufrieden?
Mit dem Flughafen Zürich haben wir eine gute Kooperation, und unsere Kunden schätzen dessen Dienstleistungsangebot sehr. Nun stellt sich aber die Frage, ob die Schweiz weiterhin Anschluss an den globalen Verkehr haben will. Wo will man in 20 Jahren stehen? Die Weichen dazu müssen schon heute gestellt werden.

Wo drückt der Schuh?
Wenn die Kapazitäten auf dem heutigen Stand bleiben, gibt es ab 2015 kein strukturelles Wachstum mehr am Flughafen Zürich. Die derzeitige Infrastruktur wird nicht ausreichen, um das künftige Wirtschaftswachstum abzubilden. Aus diesem Grund suchen wir den Dialog mit sämtlichen Parteien, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Ausbaus zu schaffen.

Wie sollten Verbesserungen aussehen?
Erstens sollten die bestehende Infrastruktur optimiert und mehr Effizienz erreicht werden. Kontraproduktiv wirken Restriktionen wie Beschränkung der Anflüge aus Deutschland oder Nachtflugverbote. Kein anderer Hub in Europa hat mit solchen Auflagen zu kämpfen. Zweitens dürfen wir uns die Option einer künftigen Parallelpiste nicht verbauen. Die Schweiz muss erkennen, dass der Anschluss zur globalisierten Welt für ein Binnenland existenziell ist. Daher bleibt auch der Ausbau des Flughafens als wettbewerbsfähiger Hub von grösster Bedeutung. Ohne Wachstum werden sich die Kostenstrukturen am Flughafen Zürich verschlechtern. Da dies nicht an die Passagiere überwälzt werden kann, ist damit auch das Fortbestehen der Swiss als Hub-Airline gefährdet.

Hat die Swiss als erfolgreichste Tochter der Lufthansa es leichter, sich bei der Mutter in Frankfurt bei strategischen Entscheidungen Gehör zu verschaffen?
Das war vor fünf Jahren vielleicht einfacher, weil wir die einzige Tochter waren und es nur bilaterale Diskussionen gab. Heute sind wir fünf Verbund-Airlines unter dem Lufthansa-Dach. Wir müssen gemeinsam aufpassen, dass bei Entscheiden die Komplexität nicht zu gross wird. Konzernchef Christoph Franz hat hier richtige Entscheidungen getroffen und die Entwicklung über die entsprechenden Gremien verstärkt.

Herrscht Wettbewerb unter den Lufthansa-Töchtern?
Wettbewerb ist das falsche Wort. Für die Kunden ist es von Vorteil, dass sie zwischen verschiedenen Produkten, Hubs und Airline-Marken innerhalb der Lufthansa-Gruppe wählen können. Die Verbund-Airlines richten ihr Angebot nach den jeweiligen Marktbedingungen aus. Im Wettbewerb mit Dritten ergibt sich dann auch bei den Preisen je nach Standort und Flugverbindung durchaus ein gesunder interner Wettbewerb zum Nutzen der gesamten Gruppe. Gleichzeitig profitieren wir von Synergien.

Christoph Franz hat in Singapur erklärt, dass das Europageschäft Verluste schreibe. Wie läuft das bei der Swiss?
Wenn man die Vollkosten betrachtet, machen auch wir im Europaverkehr Verluste. Aus diesem Grund haben wir eine interne Arbeitsgruppe gebildet, die den Bereich evaluiert, Kostenpositionen kritisch hinterfragt und Optimierungspotenziale aufzeigt. Demnächst werden die Resultate vorliegen. Wir reden hier von einem Optimierungsprozess des Europaverkehrs, der zwei bis drei Jahre benötigt.

Welche Auswirkungen hat die Konkurrenz aus dem Nahen Osten?
Die setzt uns zu. Deshalb ist für uns der Ausbau der Drehscheibe Zürich wichtig, um auch Nonstop-Flüge nach Fernost anbieten zu können. Zudem investieren wir viel in unseren Service und unsere Flotte, um unseren Fluggästen die Reise so angenehm wie möglich zu machen. Ich denke, wir schlagen uns ganz gut.

Sie sitzen im Verwaltungsrat der Austrian Airlines. Wie kommt die Sanierung voran?
Ich sehe schon, dass vieles gemacht wurde. Die Geschäftsführung der AUA hat sichtbare Fortschritte erzielt, aber noch ist die AUA nicht profitabel. Das Management muss in allen Bereichen noch weitere Effizienzsteigerungen erreichen. Wenn die AUA eigenständig bleiben will, kann sie sich nicht nur auf die Lufthansa verlassen.

Sonntagszeitung, 12.06.2011
 


 
Kommentar VFSN:
Keine Angst, für alle (egal ob Geschäftsleute oder Touristen) die von oder nach der Schweiz fliegen wollen, für die gibt es auch nach 2015 noch sehr viel Luft. Eng könnte es aber für die deutschen Umsteiger der deutschen Fluggesellschaften werden, die der Schweiz nichts ausser Lärm und Gestank bringen. Für die gibt es in Deutschland aber sicher noch genügend Kapazitäten.