Flughafen will Pisten flexibler nutzen und so Nachtruhe besser einhalten (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Während der Feiertage ist die Zahl der Ausnahmebewilligungen für Flüge in der Nacht weiter gestiegen. Nun hofft der Flughafen Zürich, dass das Bundesgericht ihm eine flexiblere Pistenbenützung gewährt.

Während der Festtage, vom 24. Dezember bis 1. Januar, hat der Flughafen Zürich in 23 Fällen eine Ausnahmebewilligung für startende oder landende Flugzeuge bei Nachtruhe gewährt, also für die Zeit nach 23.30 Uhr. Damit ist deren Zahl auf 129 gestiegen. Die Bewilligungen erfolgten an 31 von 157 möglichen Tagen seit Einführung der verlängerten Nachtruhe Ende Juli.

Seit dem Sommer können die Flughafenanwohner in der Regel sieben Stunden ohne Fluglärm schlafen, eine Stunde mehr als früher. Abheben und aufsetzen dürfen die Maschinen nur noch bis 23 Uhr, in Ausnahmefällen bis 23.30 Uhr, etwa bei technischen Problemen oder problematischen Wetterlagen wie Gewittern. Vorher durften sie bis Mitternacht ankommen oder abfliegen, der Verspätungsabbau musste bis 0.30 Uhr erfolgen.

113 Bewilligungen im Dezember

Das neue Regime hatte bis Ende November kaum für Aufsehen gesorgt. Seither ist die Zahl der Flüge nach 23.30 Uhr jedoch in die Höhe geschnellt; 113 waren es allein vom 1. Dezember bis 1. Januar. Grund ist der eisige Winter, der den Flugbetrieb europaweit teils massiv beeinträchtigt hat. Entsprechend laut sind die Klagen. Anwohner im Norden des Flughafens fühlen sich diskriminiert, weil sie angeblich den grössten Teil der zusätzlichen Lärmlasten zu tragen haben. Der Bürgerprotest Fluglärm Ost hat jüngst beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) Beschwerde gegen die zu «lasche Vergabepraxis» eingereicht. Mit einem Monitoring will das Bazl nun die Lage analysieren.

Starts nach Süden und Westen

Die Verantwortlichen des Flughafens beteuern, die Ausnahmebewilligungen restriktiv zu handhaben. Und sie hoffen auf die Hilfe der Richter. Die Verspätungen sind zwar primär das Resultat des Wintereinbruchs, wie Sprecherin Sonja Zöchling sagt. Mitverantwortlich sei aber auch das Faktum, dass der Flughafen den Betrieb nicht so flexibel wie von ihm gewünscht gestalten dürfe.

Zöchling spielt auf einen seit 2005 hängigen Rechtsstreit an. Gegen das vorläufige Betriebsreglement, das eine Aufweichung des Pistenregimes vorsieht, sind Beschwerden beim Bundesgericht hängig, darunter auch solche von Flughafenanwohnern. Deshalb sind heute ab 21 Uhr auf der Piste 28 – von witterungsbedingten Ausnahmen abgesehen – keine Starts in Richtung Westen möglich. Auch auf der Piste 16 sind Starts in Richtung Süden grundsätzlich untersagt. Als Folge davon kann der Flughafen gemäss Zöchling nach 21 Uhr die Flüge nicht so speditiv wie gewünscht abwickeln, was das Risiko von Verspätungen gegen Betriebsschluss erhöhe. Der Flughafen möchte das Pistensystem in den Randstunden flexibler nutzen. «Starts auf den Pisten 28 und 16 nach 21 Uhr würden eine Entlastung bringen, gerade in heiklen Wettersituationen», sagt Zöchling. «Wir müssten nicht mehr so viele Ausnahmebewilligungen erteilen wie bislang.»

Bazl stützt den Flughafen

Gestützt wird der Flughafen durch das Bazl. Dieses hat 2005 das vorläufige Betriebsreglement genehmigt – und damit dem Wunsch des Flughafens nach Starts in Richtung Westen (nicht aber nach Süden) bis 22 Uhr entsprochen. Nach Einschätzung des Bazl hat der Flughafen plausibel dargelegt, dass dieser Bedarf ausgewiesen sei, als Kompensation für die verlängerte Nachtflugsperre.

Von einer Flexibilisierung, wie sie der Flughafen anstrebt, wären die Anrainer im Westen und Süden betroffen. Thomas Morf, Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VFSN), protestiert gegen die drohende Neuregelung. Der Flughafen habe 2007 die siebenstündige Nachtruhe zusammen mit der damaligen Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer (SVP) selber initiiert – um eine Annahme der Plafonierungsinitiative durch das Zürcher Stimmvolk zu verhindern (was denn auch gelungen ist). «Nun muss der Flughafen dafür sorgen, dass er die Nachtruhe einhalten kann.» Und zwar ohne zusätzliche Starts in Richtung Süden und Westen, sagt Morf.

Bescheidenheit gefordert

Die Lösung sieht er woanders: Der Flughafen müsse, gerade in den Abendstunden, weniger Flüge mit Umsteigepassagieren einplanen. Als «bedeutende europäische Drehscheibe für den Weltluftverkehr» zu fungieren – diesen Anspruch müsse er herunterschrauben.

Tages-Anzeiger, 03.01.2011