EU-Gerichtsurteil (Leserbriefe NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Nachdem das Gericht einmal mehr zuungunsten der Schweiz entschieden hat, beklagen alle beteiligten Schweizer Flughafenakteure die unhaltbaren Südanflüge, die über hunderttausend Bewohner diesseits des Rheins betreffen. Wie unehrlich dieses Mitgefühl der Flughafenkreise ist, zeigt ein Blick in die seit kurzem im SIL-Objektblatt aufliegenden neuen Betriebsvarianten, die zusätzlich zu den bisherigen Belastungen alle neu auch Südstarts geradeaus und Südlandungen den ganzen Tag enthalten.
Immer werden Witterungsbedingungen verantwortlich gemacht - als ob sich das Wetter geändert hätte. Abends während der deutschen Sperrzeiten finden bereits heute jährlich weit über 1000 Südanflüge statt, weil die Ostpiste zu kurz oder die Wetterbedingungen ungünstig sind. Ist tagsüber der Nordwind zu stark für Nordanflüge und die Ostpiste zu kurz für Ostanflüge bei schlechter Sicht, soll nun auch über den Süden gelandet werden. Angeblich, um dieses Verfahren zu vereinfachen, sollen diese Flüge jetzt generell bewilligt werden. Seltsamerweise rechnet man mit mehreren hundert pro Jahr, was nur bedeuten kann, dass die Bedingungen nicht die gleichen sind wie bisher.
Wie geheuchelt das Mitgefühl für die geplagten Anwohner ist, drückt sich auch in den vorgesehenen neuen Betriebsvarianten aus, die allesamt Starts nach Süden geradeaus enthalten, bei Bise und schlechter Sicht. Damit lässt sich der Flughafen eine Blankovollmacht ausstellen, um Flugzeuge ab 6 Uhr bis 0 Uhr 30 über den Süden landen und starten zu lassen, wann immer es ihm beliebt. Mindestens solange die deutschen Anflugbeschränkungen nicht aufgehoben werden, muss der Flughafen auf zusätzliche Südstarts und -landungen verzichten, wenn er seine letzte Glaubwürdigkeit nicht verlieren will.
Yvonne Wewerka, Pfaffhausen

Fairer- und seriöserweise sollte die NZZ ihre Leser genau über die Regeln des Südanflugs unterrichten und informieren. Die Südanflüge finden statt an Werktagen von 6 bis 7 Uhr, am Samstag, Sonntag und an Feiertagen (auch an solchen, die es nur in Deutschland gibt) von 6 bis 9 Uhr. Bei bestimmten Windbedingungen sind Südanflüge auch abends von 20 bis 23 Uhr möglich. Bei Verspätungen sind auch schon Flugzeuge um 23 Uhr 30 via Süden gelandet.
Zeitweise waren solche Abend-Südanflüge sehr häufig zu erdulden. Merkwürdigerweise herrschen sehr oft am Wochenende diese bestimmten Windbedingungen, die Abend-Südanflüge bedingten. Zum Beispiel Ostern: Da gibt es schon ab Karfreitagmorgen bis Ostermontagabend ohne Unterlass ab 6 bis 9 Uhr morgens Anflüge und sehr oft auch noch am Abend von 20 bis 23 Uhr. Da ich neben der Südschneise wohne, kann man mir das glauben. Diese geforderten Zeitfenster bringen also einfach noch mehr Südanflüge.
Es tönt einfach wieder einmal nach Flunkern, dass kein Ausbau der Südanflüge geplant sei. Dieser Überzeugung sind auch viele betroffene Bekannte von mir. Ebenso wundern auch sie sich über die ungewöhnliche Häufung von speziellen Winden am Wochenende am Abend. Es wurde bis jetzt zu viel gelogen, und so glaubt man einfach nichts mehr.
Caecilia Püschel, Ebmatingen

Bereits 2001 wurde der Fluglärmstreit vom Kanton Zürich und von der damaligen Swissair falsch eingeschätzt. Dem Parlament wurde weisgemacht, auf dem Gerichtsweg (wohlgemerkt vor einem fremden Gericht) könnte die Schweiz eine bessere Lösung erzielen. Fragwürdig am Urteil des EU-Gerichts (NZZ 10. 9. 10) ist, dass die Diskriminierung nur unter dem Gesichtspunkt «Fremdenverkehr» im Vergleich zu anderen deutschen Flughäfen betrachtet wird. Meines Wissens ist zudem das Münchner Umland ein sehr viel wichtigeres Tourismusgebiet als der Südschwarzwald.
Evident ist aber, dass das bilaterale Luftverkehrsabkommen nur die flugtechnischen und wirtschaftlichen, nicht aber die gesellschaftlichen Interessen im Verhältnis zur EU regelt. Die Schweiz hat im bilateralen Abkommen auf einen wesentlichen Teil ihrer Souveränität verzichtet. Die Interessen der stark belasteten Wohnbevölkerung Zürichs und die Sicherheit wurden offensichtlich nicht einbezogen. Im Rahmen des EWR gäbe es eine umfassende Interessenabwägung. Denn im EWR ist zum Beispiel «ein hohes Schutzniveau im Bereich des Umweltschutzes» ein Ziel. Dagegen verfolgt das Luftverkehrsabkommen eben nicht den Umweltschutz und den Schutz der Anwohner vor Fluglärm. Der bilaterale Weg kommt uns teuer zu stehen.
Kathy Riklin, Nationalrätin, Zürich

NZZ, 18.09.2010


siehe auch:
Schweiz unterliegt im Fluglärmstreit (NZZ)
Anflugbeschränkungen: Bundesrat prüft Rekurs gegen Urteil des EU-Gerichtes (UVEK)
Zürcher fordern: Nicht klein beigeben im Fluglärmstreit (TA)
Deutsche in Zürich sind stärker vom Fluglärm betroffen (10vor10, SF)
Geschenkte Anflugroute (Leserbriefe TA)