Südanflüge - legal oder illegal? (Leserbriefe NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Nicht zum ersten Mal versucht Walter Kubli-Steiner in seinem Leserbrief (NZZ 08.05.2008) mit absurden und vorgeschobenen Argumenten, den Fluglärm aus dem dünnbesiedelten Norden in den dichtbesiedelten Süden abzuschieben.   Natürlich haben Gesetze nicht unendlich Gültigkeit. Aber bitte die richtige Reihenfolge einhalten. Von Diktaturen und Bananenrepubliken sind wir es gewohnt, dass Gesetze laufend gebrochen und Regelungen durchgesetzt werden, die den jeweiligen Bedürfnissen des Tyrannen gerade dienen. Im Musterland der Demokratie hat es zwingend umgekehrt stattzufinden.
Bevor Südanflüge nicht rechtlich-demokratisch eingeführt sind, haben sie, weil gesetzwidrig, gefälligst zu unterbleiben. So einfach, wie sich das Herr Kubli vorstellt, lässt sich der Richtplan allerdings nicht ändern. Zuerst müssen diverse Gesetze des Bundes angepasst werden, die zwingend vorschreiben, dass Emissionen, wo nicht vermeidbar, dort stattzufinden haben, wo sie am wenigsten Menschen stören. Was für Abfall (wer wirft den Kehricht heute noch aus dem Fenster, wer hat seinen Anteil Atommüll im Garten vergraben?) und für die Verkehrsführung (verkehrsberuhigte Dörfer, gebündelte Verkehrsführung auf Umfahrungsstrassen) gilt, muss selbstverständlich auch für den Fluglärm verlangt werden. Zudem hat das Volk erst im letzten Herbst durch Annahme des ZFI plus der Fluglärmkonzentration im Norden mit wuchtigem Mehr zugestimmt.
Heide Boesch (Forch)

Herr Kubli-Steiner hat eine höchst merkwürdige Rechtsauffassung. In einem Rechtsstaat muss sich der Bürger darauf verlassen können, dass die jeweils gültigen Gesetze eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, muss er die Möglichkeit haben, den Rechtsweg zu beschreiten. Wenn, wie im Fall der Südanflüge, geltende Gesetze missachtet werden, den Beschwerden der Betroffenen die aufschiebende Wirkung entzogen und diese über viele Jahre einfach nicht behandelt werden, so ist dies Staatswillkür. Die Meinung, dass man mit einer nachträglichen Gesetzesänderung das Recht zurechtbiegen könne, ist zynisch und eines Rechtsstaates unwürdig. Soll sich Herr Kubli überlegen, was er von einer illegalen Autobahn durch seinen Garten halten würde. Beschweren kann er sich zwar, aber gebaut wird trotzdem, und in einigen Jahren lässt sich das Recht möglicherweise ändern - weil die Autobahn inzwischen in Betrieb ist. Würde er sich damit abfinden?
Yvonne Wewerka (Pfaffhausen)

Wurde unser Recht nicht bestimmt, um für Ordnung in der Zukunft zu sorgen? Natürlich kann jedes Recht abgeändert werden, in unserm Land aber zum Glück nur nach demokratischen Regeln. Herr Kubli-Steiner spricht in seinem Leserbrief auch von gerechter Fluglärmverteilung. Ist nicht zu bedenken, dass sich das bisherige Anflugregime mit seiner Lärmentwicklung in wesentlichem Masse auf die Liegenschaftspreise im ganzen Kanton ausgewirkt hat? Der Liegenschaftswert ist ein wesentlicher Bestandteil des Privatbesitzes, an welchem der Bund politisch ein grosses Interesse haben sollte.
Aufgrund des gültigen kantonalen Richtplans, welcher die möglichen Flugschneisen eindeutig bestimmt, steht es jedem frei, sich dort niederzulassen, wo er will. Unter einer Flugschneise mit viel Lärm und weniger Kosten oder abseits einer Flugschneise mit weniger Lärm und mehr Kosten. Jetzt einfach Lärm zu verteilen, bedeutet, die einen sollen verlieren, die anderen dürfen gewinnen. Wenn Herr Kubli meint, dass die südlichen Gefilde mit ihrem Fluglärmanteil ganz gut zurechtkommen, zeigt das, dass er den unvorhersehbaren tagtäglichen illegalen Fluglärm in den Ruhezeiten, alle 2,5 Minuten mit bis zu 90 Dezibel (wie wir seit über viereinhalb Jahren), noch nie erlebt hat.
Adrian Schoop (Gockhausen)

In der Tat ist Recht nicht für die Ewigkeit unveränderbar. Nur: Gegenwärtig gilt der Richtplan noch, ist also geltendes Gesetz mit allen seinen Konsequenzen. Der Leserbriefschreiber macht es sich einfach: Ist ein geltendes Gesetz ein Hindernis, schafft man es ab. Können etwa die Belastungslimiten der Luftreinhalteverordnung nicht eingehalten werden, erhöht man die entsprechenden Grenzwerte. Kommt ein geschütztes Feuchtgebiet einer Autobahn in die Quere, entlässt man es aus dem Schutz. Wird die Höchstgeschwindigkeit auf den Strassen immer weniger eingehalten, erhöht man die Limiten. Nimmt die Zahl der Pädophilen weiter zu, streicht man die entsprechende Strafnorm. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen.
Rudolf Iseli (Zürich)

NZZ, 20.05.2008



Südanflug - das Recht lässt sich ändern (Leserbrief NZZ, 08.05.2008)
Recht (ein Gesetz) ist nicht für alle Ewigkeit unverändert gesetzt. Dies wird auch Leserbriefschreiber Willy Wunderli zur Kenntnis nehmen müssen («Südanflug widerspricht Richtplan», NZZ 29. 4. 08). Ein Recht muss sich - im Nachgang - dem gesellschaftlichen Umfeld und den Rahmenbedingungen anpassen. Genau von solch einer Rechtsentwicklung werden auch die Südanflug-Gegner betroffen sein. Ein Richtplan aus den neunziger Jahren wird dannzumal Makulatur sein, und das stetige Sichberufen darauf wird verstummen. In jener nicht allzu fernen Zukunft werden wir auch die «gerechte Fluglärmverteilung» - nach bewährter helvetischer Solidarität - noch ein Stück weiter getrieben haben. Dies dank auch einer überaus schwachen Regierungsführung, die sich lieber im überschaubaren Vereinsleben profiliert. Und es ist nicht schwer zu prophezeien: Die südlichen Gefilde werden mit ihrem Fluglärm-Anteil ganz gut zurechtkommen.
Walter Kubli-Steiner (Niederweningen)


siehe auch:
Verteidigung des Südanflugs (Leserbrief Walter Kubli-Steiner)