Süden bombardiert Call-Center (ZU)

Publiziert von VFSNinfo am

Eine Region tut sich mit den Landeanflügen besonders schwer: der Süden. Peter Meili, Verantwortlicher für das Call-Center von Unique, rechnet für diesen Monat mit über 600 Lärmklagen, was Rekord bedeutet.

 

Patrick Huber

Bis 1990 war die Welt für die Flughafendirektion (FDZ), Vorgängerin der privatisierten Unique, noch in Ordnung. Weniger als 100 Lärmklagen gingen jeweils im Jahr ein.

Seit im Jahr 2000 die Westpiste 28 wegen der Untertunnelungsarbeiten für drei Monate gesperrt werden musste, sind die Anwohner sensibilisierter. «Vor allem während der Sommermonate müssen wir viele Anfragen beantworten», erklärt Peter Meili, bei Unique unter anderem Verantwortlicher für das Call-Center.

Frust abladen

Das Call-Center TELAG besteht aus zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Stadt Zürich ihren Arbeitsplatz haben und unter anderem für Unique von 6 bis 24 Uhr Lärmfragen beantworten.
Nach den intensiven Ostanflügen vom Frühjahr brauchte sich die Beschwerdestelle über mangelnde Arbeit nicht zu beklagen. Als jetzt noch die Südanflüge hinzukamen, wurde das Beantworten der Fragen zu einem veritablen Spiessrutenlauf. Meili sind Fälle bekannt, wo die Anrufer gezielt eingesetzt wurden, um die Damen und Herren im Call-Center zu nerven. Dabei trifft es die Falschen. «Wir versuchen auf jede Frage eine Antwort zu geben. Aber häufig werden wir die Zielscheibe von Frustattacken», so der Siedlungs- und Raumplaner. Es gibt auch Lob für die Informationsleistung ? aber eher selten.

Renitenter Süden

Meili rechnet für diesen Monat mit über 600 Lärmklagen, was Rekord bedeuten würde. Die meisten Anrufer stammen aus dem Süden. Vor allem die Seegemeinden würden sich lautstark über den Fluglärm beklagen. Forderungen wie «leitet die Flugzeuge sofort auf eine andere Route um» hätten zugenommen. Aber auch im Zürcher Oberland, von wo Unique früher kaum je eine Lärmklage bekam, sei man hellhörig geworden. Viele Anrufe stammen aus Hinwil, Rüti, Hombrechtikon, aber auch aus Richterswil. Aus Orten also, die im Vergleich etwa zu Schwamendingen, Wallisellen, Rümlang oder Kloten vom Fluglärm bedeutend weniger betroffen sind.

Verständnis zeigen

Meili und seine Mitarbeiter nehmen alle Anrufe ernst, auch wenn ihnen die Hände oft gebunden sind. Einige Anfragen würden Rechtsfragen betreffen. Da bleibt den Mitarbeitern nur eines übrig, nämlich die Anrufer ans Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) weiterzuleiten. Sein Team brieft Meili mindestens alle zwei Monate aufs Neue. «Dabei gilt es auch ein gewisses Verständnis zu wecken. Die Anrufer sind nicht einfach immer im Unrecht», trichtert er seinen Mitarbeitern ein.

Zur Verunsicherung beigetragen hätten im Vorfeld der Südanflüge gewisse Medienberichte, die sich als kontraproduktiv erwiesen. Das habe zur Folge, dass auch immer wieder Drohungen ausgesprochen würden, die das Call-Center im Extremfall an die Sicherheitsabteilung weitergeben müsse. In besonders akuten Fällen werde der Kontakt zur entsprechenden Gemeinde gesucht.

Sehr geringe Toleranz

Auch wenn Meili ein gewisses Verständnis für die Belange der Südgemeinden aufbringen kann, ist ihm die «extreme» Weigerungshaltung aufgefallen. «So etwas habe ich noch nie zuvor so erlebt.» Ein Teil der Bevölkerung um den Flughafen habe begriffen, dass die Entwicklung gewisse Schattenseiten nach sich ziehe. Im Süden aber sei das Toleranzverständnis «zumindest von dem Teil der Bevölkerung, den wir zu hören bekommen, sehr gering».

Dabei trage der Süden nur etwa einen Zehntel aller Anflüge, wenn auch erstmalig und zu einer sensiblen Tageszeit. Die Bevölkerung sieht laut Meili zu wenig, dass gerade beim Flughafen die Verknüpfung zwischen Politik, Wirtschaft, Mobilität, Stellenangeboten, Raumplanung und anderen Bereichen sehr eng sei. «Man kann einfach nicht immer den Fünfer und das Weggli haben.»

ZU, 26.11.2003


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